Presse-Berichte zu den Konzerten aus der RHEINISCHEN POST (RP) und der NEUEN RHEIN-ZEITUNG (NRZ)

NRZ (Ausgabe Wesel) am 12.10.2020
Musikalische Seelenreise mit großen Werken

Stefan Wille
In der klassischen Musik gilt das Streichquartett als die anspruchsvollste Gattung, gleichsam die Königsklasse der Instrumentalmusik – sowohl für den Komponisten als auch für die ausführenden Interpreten. Wenn nun beides zusammenkommt, also Meisterwerke auf ebensolche Meisterinterpreten treffen, dann wird man Zeuge eines Hochamtes der Kammermusik. Ein solches gab es am Freitag, als das Auryn-Quartett im Bühnenhaus Wesel wegen Corona gleich zweimal ein Gastspiel gab. Im Gepäck hatten die Musiker Werke, die sowohl im Schaffen ihrer Komponisten als auch in der Gattung als solche eine besondere Stellung einnehmen.
Ludwig van Beethoven schuf sein f-moll Streichquartett um 1810 und es bekam aufgrund der eher ernsten, düsteren Stimmung recht bald den Beinamen „Serioso“. Gleich in mehrfacher Hinsicht ist dieses Werk bemerkenswert: Es ist erheblich kürzer als seine vorherigen Quartette und sollte für die nächsten knapp anderthalb Jahrzehnte das letzte dieser Art sein; obendrein machte Beethoven ziemlich deutlich, dass das Werk „nicht für die öffentliche Aufführung“ gedacht sei.
Das Auryn-Quartett zeigte, dass Beethoven sich zu Unrecht vor einer Aufführung gefürchtet hat. Die schroffen, energischen Passagen mit ihren Kluften kontrastieren mit elegischen Melodien und getragenen Abschnitten – mit unerwartet heiterem Schluss. Ein Werk, dass den üblichen Unterhaltungscharakter längst hinter sich gelassen hat.
Das Auryn-Quartett gehört nicht von ungefähr seit nunmehr fast 40 Jahren zur Crème der Kammermusik-Ensembles – und dieser Abend bewies es einmal mehr. Bei ihnen klingt es eben nicht nach Goethes berühmtem Bonmot von den ‚vier sich unterhaltenden Personen‘, vielmehr agieren sie quasi wie ein einziger Organismus; unter ihrem Spiel atmet, lebt das Stück, man meint beinahe Beethovens Wut und Zorn körperlich zu spüren.
Ein Klangbild gänzlich anderer Art bot das zweite Werk des Abends: Franz Schuberts Streichquintett in C-dur, wofür man sich als Gast den Cellisten Christian Poltéra eingeladen hatte. Entstanden 1828, gerade mal zwei Monate vor seinem Tod, ist es das einzige Quintett Schuberts und ungewöhnlich in der Besetzung mit zwei Celli; ebenso ausnehmend ist das geradezu symphonische Ausmaß des ersten Satzes.
Mit schlafwandlerischer Sicherheit, ohne dabei in Routine abzugleiten, steuerten sie durch das überaus heterogene Werk, beispielsweise im zweiten Satz, der von großer Ruhe und Melodienseligkeit geprägt ist, aber einen aufgewühlten, technisch höchst anspruchsvollen Mittelteil hat oder im dahinstürmenden Schlussrondo, in dem die sich schier überschlagenden Figuren zu einem ebenso virtuosen Ende streben. Auch hier gaben sich die fünf Musiker keine Blöße, sondern nahmen die gebannt lauschenden Zuhörer mit auf die Seelenreise zweier Ausnahmekomponisten und ihren außergewöhnlichen Werken. Das Publikum dankte mit langem Schlussapplaus.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 15.9.2020
Ein Drama mit Meister-Musik

Der Städtische Musikverein lud zum ersten Orchesterkonzert unter dem Motto „Himmelhoch jauchzend…“ mit der Neuen Philharmonie Westfalen ins Bühnenhaus

Endlich wieder klassische Musik im Weseler Bühnenhaus: Zu Gast beim Orchesterkonzert des Städtischen Musikvereins Wesel war die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Generalmusikdirektor Rasmus Baumann. Als weitere Mitwirkende unterstützten die Sopranistin Dorin Rahardja und Schauspieler und Regisseur Dominique Horwitz als Sprecher das Orchester. Auf dem Programm standen zwei großartige Werke der Klassik und Romantik: die Symphonie Nr. 2 C-Dur op. 61 von Robert Schumann und Ludwig van Beethovens Bühnenmusik zu „Egmont“, ein Drama von Goethe.

Der große deutsche Dichter hatte den Wunsch, sein Trauerspiel noch vertonen zu lassen. Die so genannte Schauspielmusik entstand 1809 und wurde ein Jahr später in Wien aufgeführt. Beethoven, der ein großer Bewunderer Goethes war, inspirierte die heldenhafte Aufopferung des Grafen Egmont, einem niederländischen Helden, zu einer seiner brillantesten Ouvertüren und Bühnenmusiken. Er bewies, dass er zu diesem Drama eine Meister-Musik machen konnte und zeigte alle Kraft seines Genies auf.

Horwitz stellte auf seine persönliche Leseart das Drama vor, ganz verwoben mit Beethovens wunderbarer Komposition. Die Geliebte Egmonts scheitert beim Versuch, ihn aus der Kerkerhaft zu befreien und sieht keinen Ausweg als den Tod. Goethes Politdrama um den aufständischen Grafen und seinen Kampf gegen die spanischen Besatzer enthält auch zwei ausdrucksvoll vorgetragene Lieder („Die Trommel gerühret“ und „Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein“), sie wurden exzellent von der Sopranistin Dorin Rahardja vorgetragen. Beim letztgenannten handelt es sich um ein sehr kurzes Gedicht, dessen „Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt“ sprichwörtlich wurde und gleichzeitig das Motto des Konzertabends war.

Hinzu kamen noch „Clärchens Tod“, das Melodram poco sostenuto sowie zum Abschluss die Siegessymphonie in allegro con brio. Hier hinterließ das Orchester einen guten Eindruck. Immer wieder konnte man die Dramatik zwischen leicht angehauchter Musik und wieder kehrendem Fortissimo mit empfinden. Seine Spielfreudigkeit zeigte das Orchester dann auch noch bei Robert Schumanns Symphonie Nr. 2 C-Dur op. 61. Vier Sätze (Sostenuto, Scherzo, Adagio espressivo und Allegro molto vivace) enthielt das bedeutende Werk des Romantikers. Hier bewies das Orchester, dass es nicht umsonst zu den größten Klangkörpern in NRW zählt.    DK

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 11.3.2020:
Konzert der Spitzenklasse
Die Duisburger Philharmoniker und die Pianistin Anna Malikova spielten im Städtischen Bühnenhaus Wesel Werke von Camille Saint-Saëns, Mozart und Beethoven

Dieter Krüssmann
Die Duisburger Philharmoniker gehören zu den bedeutendsten Orchestern in Nordrhein-Westfalen. Unter ihrem musikalischen Leiter, Generalmusikdirektor Axel Kober, konnten Klassik-Fans sie jetzt wieder auf Einladung des Städtischen Musikvereins im Bühnenhaus erleben. Mit dabei war eine Pianistin der Spitzenklasse.
Die Professorin an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, Anna Malikova, wurde in Taschkent in Usbekistan geboren und hat sich schon bei zahlreichen internationalen Klavierwettbewerben Preise geholt.
Hörgenuss nach Mozart
Zudem hat sie mit namhaften Orchestern in aller Welt Konzerte gegeben. Zu Beginn des Konzerts stand die Sinfonie Nr. 40 g-moll KV 550 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) auf dem Programm. Mozart komponierte dieses weltbekannte Werk im Juli 1788 in Wien in vier Sätzen (molto allegro, andante, menuetto – allegretto sowie allegro assai). Knapp 35 Minuten dauerte der Hörgenuss. Dieses Stück (zumindest der erste Satz) machte auch Furore in der Pop-Musik.
Im Anschluss trat Anna Malikova auf. Auf dem Flügel präsentierte sie das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 c-Moll op. 44 von Camille Saint-Saëns (1835 -1921). Das Werk ist eines von fünf, entstand 1875 und ist eine Rarität unter den Klavier-Werken. Es gehört zu den schönsten, originellsten Werken des Komponisten und besteht aus zwei Teilen (allegro moderato – andante und allegro vivace – Andante – Allegro).
Schwung und Eleganz
Der Komponist wollte mit seiner Musik der französischen Orchester- und Kammermusik eine Frischzellenkur bescheren. Herrliche Passagen mit einem ständigen Auf und Ab und ein temporeiches Spiel gab es zu hören.
Der Dialog zwischen dem Solo-Instrument und dem Orchester entspann sich mit beredter Eleganz, Schwung und Elan waren angesagt.
Und zum Schluss Beethoven
Jetzt konnten die Zuschauer beobachten, welch eine Virtuosin die Pianistin ist. Sie spielte äußerst konzentriert, mit Leidenschaft und Leichtigkeit. Für das Finale des wunderbaren Konzerts hatte man sich ein Meisterwerk von Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) aufbewahrt. Es erklang die Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67, ein Muss im 250. Geburtsjahr des großen Bonner Komponisten. Kaum ein Werk hat solch eine Berühmtheit in der Musikwelt erlangt wie diese Komposition.
Als „Schicksalssinfonie“ ging sie in die Musikgeschichte ein und gehört immer noch zu den populärsten Stücken der Klassik. Im Frühjahr 1808 wurde sie fertiggestellt. Unverkennbar ist der Anfang mit seinem „tatatataaaa“. Mit vier Sätzen in der Reihenfolge schnell, langsam, tänzerisch und nochmals schnell endete ein Konzert der Spitzenklasse, mittlerweile das sechste dieser Art, das sich großen Beifall verdient hatte. Die Duisburger Philharmoniker und Anna Malikova überzeugten auf ganzer Linie.

 

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 12.2.2020:
Junge Streicher auf dem Weg in eine strahlende Zukunft

Das Eliot-Quartett gastierte im Bühnenhaus.

Das 2014 gegründete Eliot-Quartett kam zum Konzert des Städtischen Musikvereins mit russischen Klangfarben ins Bühnenhaus.
(wi) Betrachtet man den Werdegang, die steile Karriere und die reihenweise abgeräumten Preise des erst 2014 gegründeten Eliot-Quartetts, so ist das schon sehr beeindruckend. Wenn man es dann aber auch noch live im Konzert des Städtischen Musikvereins auf der Bühne sehen und hören kann, wird schnell offensichtlich, dass hier ein großes Streichquartett heranwächst, in würdiger Nachfolge zum Beispiel eines Hagen-Quartetts.
Das junge Ensemble, allesamt sind die drei Männer und eine Frau zwischen 30 und 35 Jahre alt, gastierte im Bühnenhaus. „Russische Klangfarben“ hatten sie ihr Programm genannt. Zu Gehör kamen Komponisten der Spätromantik, mit denen sie der Frage nachgingen, ob es eine Nationalität der Musik gebe: Was bewirkt, dass man solch unterschiedliche Tonsetzer wie Schostakowitsch, Prokofieff und Tschaikowski trotzdem eindeutig der russischen Musik zuordnen kann?
Möglicherweise liegt es bei den ausgewählten Werken daran, dass sie alle auf original russischen Melodien beruhen. So war Prokofieff von der Idee angetan, östliche Folklore mit der klassischen Form des Streichquartetts zu vereinen und hat dazu im Nordkaukasus Volkslieder gesammelt. Heraus kam eines der faszinierendsten Werke des Genres.
Umrahmt wurde es zum einen von Schostakowitschs 1938 entstandenen und von ihm selbst als „frühlingshaft“ bezeichneten 1. Streichquartett. Fröhlich, heiter und lyrisch musizierte das Eliot-Quartett dieses Erstlingswerk (welches ursprünglich nicht als vollständige Komposition geplant war) genau wie vom Komponisten verlangt. Nach der Pause folgte das opulente es-moll Streichquartett von Tschaikowski. Legt man Goethes Aperçu zugrunde, dass man „in einem Streichquartett vier vernünftige Leute sich unterhalten hören“ könne, so wird in diesem Werk aber nicht gesprochen, sondern vielmehr gesungen: Tschaikowski beklagt im dritten Satz den Tod eines guten Freundes und verwendet dazu die Melodie einer orthodoxen Totenmesse.
Benannt hat sich das Quartett nach dem amerikanischen Schriftsteller T. S. Eliot, der sich wiederum von Beethovens späten Streichquartetten zu seinem poetischen Werk „Four Quartetts“ hatte inspirieren lassen. So schließt sich der Kreis zur Zugabe – der „Kavatine“ aus Beethovens op. 130.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 3.12.2019:
Ein Feuerwerk der Klänge

Das Duo Misha Nodelman (Violine) und Markus Krebel (Klavier) überzeugte auf der ganzen Linie

Ein „Russisches Feuerwerk“ zündete jetzt das Duo Misha Nodelman (Violine) und Markus Krebel (Klavier) im Weseler Bühnenhaus. Es war ein bewegendes Programm mit Werken der bedeutendsten Komponisten der russischen Spätromantik, sowie zwei zeitgenössischen Komponisten.

Gleich zu Beginn überraschten die beiden Musiker in doppelter Hinsicht: zunächst mit einem flotten Auftritt, der den Zuhörern kaum Zeit ließ, sie adäquat zu begrüßen und dann mit dem ambivalenten Stück „Im Stile von Albéniz“ aus der Feder von Rodion Schtschedrin (87), einem schillernden Werk, wetterleuchtend zwischen spanischer Tanzmusik und russischer Melancholie.

Von Sergej Rachmaninoff gab es gleich drei Werke zu hören. Eine Romanze, einen ungarischen Tanz – der nach dem selben Prinzip so wenig ungarisch ist, wie das Eingangsstück spanisch war – und die berühmte Vokalise. Eigentlich ist diese ein Stück für Klavier und Singstimme, die die Melodie nur auf einem einzigen Vokal singt, ganz ohne Text. Hier konnte Misha Nodelman zeigen, dass er nicht von ungefähr erster Konzertmeister der Neuen Philharmonie Westfalen ist und mehrfach Preise abgeräumt hat bei nationalen und internationalen Musikwettbewerben.

Aber auch seinem Partner am Klavier, Markus Krebel, ist hier großer Respekt zu zollen. Ganz gleich, was der Klavierpart an technischen Schwierigkeiten bereit hielt, der unter anderem in der Meisterklasse bei David Levine ausgebildete Krebel bewältigte sie nicht nur, sondern konnte ganz auf seinen Duo-Partner eingehen und ihn im besten Sinne begleiten. Dieses gekonnte Aufeinandereingehen wurde besonders deutlich im Walzer-Scherzo von Peter Tschaikowski. Obgleich gespickt in beiden Parts mit höchsten Schwierigkeiten, war es dem Duo Krebel/Nodelman auch hier möglich, es wie leicht und selbstverständlich klingen zu lassen.    wi

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 28.10.2019
Die Boyband der Klassik in Wesel

4 Times Baroque mit Jan Nigges, Jonas Zschenderlein, Karl Simko und Alexander von Heißen.
Die Formation „4 times baroque“ präsentierte im Städtischen Bühnenhaus klassische Musik von Händel bis Merula – auf vitale und moderne Weise.

(aflo) Der Begriff „Boygroup“ ist eigentlich eher Popformationen der 90er Jahre wie „Caught in the Act“, oder „Take That“ zugeschrieben. Dass es so etwas auch in der klassischen Musik geben kann, bewiesen die vier Musiker Jan Nigges (Flöte), Jonas Zschenderlein (Violine), Karl Simko (Violincello) und Alexander von Heißen (Cembalo) bei ihrem Gastspiel am Samstagabend im Städtischen Bühnenhaus. Die vier Wahlfrankfurter im Alter zwischen 21 und 23 Jahren hatten sich im Jugend-Barockorchester „Bachs Erben“ kennengelernt. Dort hatten sie beschlossen, ihre Affinität zu dieser doch recht „alten“ klassischen Musik im gemeinsamen Projekt „4 times baroque“ aufgehen zu lassen . „So rockig, wie sie das spielen“, hatte den Musikverein Wesel und ihren zweiten Vorsitzenden Max Brandt überzeugt, die Musiker einzuladen.
Das Vorhaben, auch die junge Generation damit anzusprechen, konnten sie bei ihrem „Caught in italian virtuosity“- Gastspiel in Wesel weniger verwirklichen. Doch die Zuhörer, die gekommen waren, wurden wunderbar unterhalten. Das lag zum einen an der Moderation von Jan Nigges, der das Publikum mit flockigen Bemerkungen und charmanten Erläuterungen über die Komponisten und die jeweiligen Werke zum Schmunzeln brachte. Und da war zum anderen die Musikalität der vier Ensemblemitglieder, die den doch in der Konstellation eher seltener zu hörenden Barockklängen eine gewisse Vitalität und Modernität im Spiel und im Auftreten verliehen.
Den Auftakt des gut zweistündigen Auftritts bildete Georg Friedrich Händels Ouvertüre aus der Oper „Rinaldo“ mit dem „Largo“ und „Allegro“, die in die Klangwelt des Barock wunderbar einführte. Dem folgte Pierre Provos „Triosonate in d-Moll“ mit einem ungeheuer flüssigen „Allegro“ und hoher Kunstfertigkeit der beiden Solisten Nigges und Zschenderlein im Dialog. Mit Antonio Vivaldis Kammerkonzert in F-Dur folgte tatsächlich der erste „echte“ Italiener, bei dem der dynamische, dabei erhaben-kammermusikalische Ton des Quartetts gut zum Tragen kam. Weich, geschliffen, virtuos geriet dabei das Spiel von Solist Jan Nigges. Überzeugend zeigte Zschenderlein bei Arcangelo Corellis „Sonata op. 5 d-Moll“, über welche Eleganz sein Spiel verfügt.
Nach der Pause setzte das Quartett dann mit Corellis „La Folia“ mit der wunderbaren Variation der Grundform den barockalen Klangreigen fort. Vor Guiseppe Sammartinis „Sonata a due“ erläuterten die Musiker ihre Instrumente. Und Vivaldis „La Notte“ weckte Assoziationen zu nebulösen Landschaften und filmischen Szenen.
Am Ende des Konzerts standen zwei kurze, dafür aber umso prägnantere Zugaben: ein Stück von Marco Uccilini und – in Vorschau auf ihre 2020er CD – der letzte Satz des „Pariser Quartetts“ von Georg Philipp Telemann als ästhetisch-klangvoller Höhepunkt.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 20.9.2019:
Schottische Fantasien
Mit einem Orchesterkonzert der Neuen Philharmonie Westfalen unter Dirigent Rasmus Baumann startet der Städtische Musikverein erfolgreich in die neue Saison

Schottisch ging es zu, am Mittwochabend im zur Hälfte gefüllten Bühnenhaus: Die Neue Philharmonie Westfalen mit Dirigent Rasmus Baumann hatte Werke aus der Romantik und zwei neuere Stücke mit Schottland-Bezug mitgebracht. Gemäßigt modern kam „An Orkney Wedding With Sunrise“ von Peter Maxwell Davies daher. Ein abwechslungsreiches, modernes Stück also zum Auftakt der Bühnenhaus-Saison. Mirijam Contzen war die Solistin der sich anschließenden Schottischen Fantasie von Max Bruch. Bruch war ein Zeitgenosse von Brahms und ist vor allem durch sein erstes Violinkonzert noch heute bekannt. Ähnlich wie dieses wartet die Schottische Fantasie mit geigerischen Drahtseilakten auf, die die deutsch-japanische Geigerin mühelos bewältigte.
Gegen Ende schien die Konzentration des Orchesters oder die von Rasmus Baumann etwas gelitten zu haben, stellten sich doch einige kleine Wackler in der Koordination von Solistin und Orchester ein. Dem Gesamteindruck tat das jedoch keinen Abbruch – und als Dank für den hochverdienten Applaus spielte Mirijam Contzen zusammen mit acht Streichern noch eine schottische Weise aus einem Violinkonzert von Thomas Linley, einem Zeitgenossen und Freund Mozarts. Nach der Pause kamen die Schottischen Tänze von Malcolm Arnold zu Gehör, der Cineasten als Oscar-prämierter Komponist des Films „Die Brücke am Kwai“ bekannt sein dürfte. Recht konventionell komponiert, waren diese eine gute Möglichkeit, sich für das Hauptwerk einzuspielen, die berühmte Schottische Symphonie von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Das viersätzige Werk hatte seine Wurzeln in einer Schottland-Reise Mendelssohns, wurde aber erst 1842 fertig. Die Konzeption von Rasmus Baumann war offensichtlich, die vier Sätze des Werks wie einen langen erscheinen zu lassen – die Sätze gingen ineinander über. Besonders gut aufgelegt waren die Holzbläser des Orchesters: Glockenrein und als Kammerensemble innerhalb des Orchesters wussten die Musiker zu glänzen. Man würde sich wünschen, dass sich die Qualität der vom Musikverein veranstalteten Konzerte herumspricht.
cbr

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 3.9.2019:
Mal auf Samtpfoten, mal ganz wild

Der junge Pianist Han Chen aus Taiwan begeisterte zum Abschluss des 21. Weseler Klaviersommers, einer vierteiligen Konzertreihe in der Aula der Musik- und Kunstschule. Das Publikum applaudierte stehend.

(wi) Was unterscheidet einen gewöhnlichen Klavierabend von einem außergewöhnlichen? Die Eindrücke des Ersteren hat man bald wieder vergessen, erinnert sich allenfalls noch schemenhaft an Programm und Interpret. Einen außergewöhnlichen Klavierabend erkennt man daran, dass sich die Besucher über das gerade Gehörte angeregt austauschen. Mit einem solchen Glanzpunkt ging der 21. Weseler Klaviersommer zu Ende, eine vierteilige Konzertreihe in der Aula der Musikschule.
Den Abschluss setzte der aus Taiwan stammende Han Chen, der mit gerade einmal 27 Jahren bereits auf Bühnen rund um den Globus musiziert. Er hatte drei Klaviersonaten für das Publikum in Wesel im Gepäck, welche die gesamte Bandbreite des Genres und seiner Entwicklung widerspiegeln: die c-moll Sonate von Franz Schubert, eine B-dur Sonate von Serge Prokofieff. Zum Beginn gab es die Sonata for Piano, 2014 aus der Feder des amerikanischen Komponisten Steven Stucky geflossen.
Mal auf Samtpfoten daherkommend, mal wild und ausgelassen in gewaltigen Akkordkaskaden, bald dunkel grollend oder in sphärischen Klängen: Chen wusste stets die unbändige Kraft dieses Meisterwerks zu bändigen, das jegliche Konvention der Gattung, was Tonalität und Form betrifft, bereits weit hinter sich gelassen hat.
Den Weg dahin zeigten die beiden anderen Werke. Bei Franz Schuberts c-moll Sonate mit ihrer großen emotionalen Spannweite hat der Interpret immer die Qual der Wahl. Spielt man sie „klassisch“ oder wählt man die „romantische“ Variante? Chen zeigte, dass auch ein Mittelweg gangbar ist. Die beiden schnellen Ecksätze spielte er geschwind und präzise, dafür ließ er im langsamen Adagio den Liedkomponisten Schubert zu voller Geltung gelangen.
Die B-dur-Sonate von Prokofieff liegt dann schon ein ganzes Stück weiter auf dem Weg in die Moderne. Nicht von ungefähr hat Chen dieses Werk ans Ende seines Programms gesetzt, konnte er hier doch noch einmal seine ganze Klasse unter Beweis stellen. Den „träumendes Andante“ überschriebenen Mittelsatz spielte er wahrhaft gedankenversunken, introvertiert, nahezu schüchtern. Umso kontrastreicher dazu dann der mit technischen Höchstschwierigkeiten gespickte Schlusssatz. Die vielen Zuhörer im fast ausverkauften Saal der Musik- und Kunstschule applaudierten stehend.
INFO
Wichtige Preise schon in jungen Jahren
Han Chen Jung gewann er schon wichtige Preise bei renommierten Klavierwettbewerben. Die New York Times würdigte ihn 2012 als Pianist mit „anmutigem Anschlag, rhythmischer Präzision, hypnotischem Charme“.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 30.7.2019:
Unbekannte und wiederentdeckte Musik überrascht

Der Pianist Ivan Ilic verblüfft beim Klaviersommer in der Musik- und Kunstschule mit ungewöhnlichen Interpretationen.

(wi) Mit einem weitgefächerten Programm gastierte der US-amerikanische Pianist Ivan Ilic (41) am Sonntag in der Aula der Musik- und Kunstschule Wesel. Der umtriebige Künstler mit den serbischen Wurzeln gehört zu einer neuen Generation von Pianisten, denen es nicht mehr genügt, immer wieder nur die alten Klassiker zu spielen, sondern die hungrig geblieben sind, um sowohl zeitgenössische Komponisten als auch bis dato unbekannte Tonsetzer (wieder-) zu entdecken und altbekannte Werke überraschend neu zu interpretieren.
Ein solcher Fall der Wiederentdeckung gelang Ivan Ilic mit dem tschechischen Komponisten Antonín Reicha im Rahmen des Klaviersommers. Der Zeitgenosse Beethovens – als junge Männer haben sie sogar zusammen im gleichen Orchester gespielt – war später unter anderem Kompositionslehrer von Hector Berlioz und Franz Liszt und galt als einer der gefragtesten Experten zum Thema Kontrapunkt. Allerdings gerieten Reicha und seine Werke bald in Vergessenheit, der Name Beethoven strahlte zu hell. So mussten nach seinem Tod erst 180 Jahre vergehen, bevor Ilic 2016 mit einer fünfteiligen CD-Serie die Klavierwerke Reichas einem breiteren Publikum zugänglich machte.
Für das Konzert hatte er vier Etüden ausgesucht, die Reichas Kontrapunktexpertise unterstreichen. Ilic ist dafür bekannt, unkonventionelle Programme für seine Konzerte zusammenzustellen und so reichte die Spannweite neben Reicha von Bach über Beethoven bis hinein in die Romantik zu Chopin und Liszt und in die Moderne mit Hans Otte. Bei aller Heterogenität der Komponisten gab es doch einen roten Faden: Es waren allesamt Werke, die gemeinhin als „romantisch“ wahrgenommen werden, weil sie von ruhigem Duktus sind und in Klang und Harmonien geradezu baden; selbst Beethovens Sonate „Pathétique“ stellt, trotz der Dramatik im ersten Satz, in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Ivan Ilic bewies sein Gespür für die richtige Dosis, indem er nicht, wie manche seiner Kollegen, bei Chopin oder Liszt die Schwüle des seinerzeitigen Pariser Musiksalons wieder aufleben lässt, sondern gleichsam einmal kräftig durchgelüftet hat. Seine „Consolations“ (Liszt), nebst den Etüden und Préludes von Chopin, sind von einiger Nüchternheit, ja geradezu Kühle (ohne technische Zugeständnisse zu machen) und er wirft so einen erfrischend neuen Blick auf diese altbekannten Werke.
Klangbilder allüberall: bei Hans Ottes „Buch der Klänge“ ist der Name Programm. Die Miniaturen nach dem Vorbild der Minimalmusik spielen mit der Auflösung tradierter Formen und Harmonien, ohne atonal zu sein. Mit einer Bearbeitung von Chopins Es-moll-Etüde für die linke Hand allein von Leopold Godowsky beschloss Ilic sein Programm.
Auch bei der Zugabe blieb er dem Motto der ruhigen Stücke treu und verabschiedete sich mit Debussys „Die versunkene Kathedrale“.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 25.6.2019:
Beeindruckender Klavierabend eines Könners

Wataru Hisasue präsentierte gegensätzliche Werke in einer interessanten Kombination.
VON CHRISTIAN BRAUMANN
Zum zweiten Konzert des diesjährigen Klaviersommers hatte der Musikverein Wesel geladen – und selbst die Veranstalter waren überrascht, dass trotz des heißen Sommertages doch rund 100 Besucher zur Zitadelle gekommen waren. Der Künstler des Abends war der 25-jährige Japaner Wataru Hisasue.
Das Programm begann mit Haydn: Die h-Moll-Sonate ist für viele Pianisten ein beliebtes Eröffnungsstück, um sich an den Raum und das Instrument zu gewöhnen. Bei Wataru Hisasue geriet der erste Satz etwas rustikal – wohl eine Folge dieses Gewöhnungsprozesses. Die Filigranität des Werkes schien erst im zweiten und dritten Satz durch. Unbekannter sind die „Métopes“ von Karol Szymanowski und die „Gymnopédies“ von Eric Satie. Hisasue spielte die jeweils drei Stücke abwechselnd, so dass auf Szymanowski Satie antwortete. Odysseus hatte es auf seiner langen Reise von Troja nach Ithaka mit vielen verzwickten Situationen und Gestalten zu tun: Szymanowski porträtierte diese in pianistisch höllisch schweren Charakterstücken, so dass der Pianist sich vorkommen mag, als wäre er Odysseus selbst, der mit List und Kraft die Musik zu meistern hat. Und das gelang Wataru Hisasue hervorragend: Die Klangberge der „Insel der Sirenen“ etwa ließen an die bergigen griechischen Inseln denken. Ganz gegensätzlich dazu die Stücke von Eric Satie. Strawinski hat einmal über Vivaldi gesagt, er habe 400 Mal das gleiche Geigenkonzert komponiert. Vivaldi schien das Vorbild von Satie bei seinen Gymnopédies zu sein: Drei ruhige, eigentlich nur von den Satzbezeichnungen zu unterscheidende Stücke, völlig gleich aufgebaut, bildeten den Kontrast zur aufwühlenden Musik Szymanowskis. In der Kombination wirkte das interessant: Die Gymnopédies wirkten wie eine Art Promenade in Bildern einer Ausstellung.
Nach der Pause gab es noch einen Dauerbrenner des pianistischen Repertoires: Die Sonate in h-Moll von Chopin. Dass der 25-Jährige technische Probleme nur vom Hörensagen kennt, hatte er bereits bewiesen. So konnte er bei Chopin seine Virtuosität ausspielen. Mal lyrisch-introvertiert, mal donnernd-extrovertiert. Auch die bei Haydn noch etwas vermisste Delikatezza war in den perlenden Läufen des vierten Satzes zu hören. Ein beeindruckender Abend mit einem interessanten Pianisten ging mit einer Zugabe von Satie zu Ende: In dem Walzer zeigte Hisasue, dass Satie nicht immer das selbe Klavierstück komponiert hat…

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 9.4.2019:
Schumann ist „ihr Konzert“

Die Neue Philharmonie Westfalen bot ein anspruchsvolles Konzert im Weseler Bühnenhaus.

Die Neue Philharmonie Westfalen gastierte im Weseler Bühnenhaus und erhielt begeisterten Applaus. Unter anderem wurden zwei Höhepunkte der deutschen Romantik gespielt, jeweils von Schumann und Brahms.
Die Neue Philharmonie Westfalen mit der jungen Pianistin Lise de la Salle unter der Leitung von Rasmus Baumann war zu Gast im Bühnenhaus. Zu hören gab es zwei Höhepunkte der deutschen Romantik: das Konzert für Klavier und Orchester a-moll op. 54 von Robert Schumann und die Symphonie Nr. 1 c-moll op. 68 von Johannes Brahms.
De la Salle bezeichnet das Schumann-Konzert gerne als „ihr“ Konzert, und das war bei der Aufführung deutlich zu spüren. Gefühlvoll, innig und mit viel Affekt gelangen ihr die ausziselierten Dialoge von Klavier und Orchester, aber ebenso zupackend und mit höchster technischer Präzision die extrem schwierigen Passagen. Schumann brauchte bei der Komposition keinerlei Rücksicht auf den Schwierigkeitsgrad zu nehmen, hat er das Konzert doch seiner Gattin Clara „in die Finger“ geschrieben, der größten Klaviervirtuosin ihrer Zeit. Im Schlusssatz nahm das Ensemble die Spielanweisung „Allegro vivace“ wörtlich und schlug ein erfrischendes Tempo an, so dass Orchester und de la Salle noch einmal zu beweisen wussten, was sie können. Der hochromantische zweite Satz mit seinen langen Streicherlinien und lediglich Klaviergrundierung hingegen stand etwas schüchtern zwischen den beiden dahinstürmenden Ecksätzen und hätte etwas mehr Biss vertragen.
Das zweite Hauptwerk war Brahms‘ c-moll Symphonie; ein Werk, mit dem der Komponist sich sehr schwer getan hat. Bereits Mitte der 1850er Jahre gab es Überlegungen für eine Symphonie, aber immer wieder hat Brahms die Ausführung hintangestellt, weil er lange der Meinung war, dass nach Beethoven auf symphonischem Gebiet nichts Vollgültiges mehr gesagt werden könne. 1876 wurde das Werk uraufgeführt. Der Kritiker Hans von Bülow prägte damals das anerkennende Aperçu „Beethovens Zehnte“. Und auch bei dieser anspruchsvollen Symphonie wurde die Neue Philharmonie Westfalen ihrem Anspruch mehr als gerecht. Rasmus Baumann und sein Orchester verstanden es, die emotionalen Schründe und Klüfte greifbar zu machen, fanden in den ruhigen Passagen den richtigen Ton und auch dort, wo es richtig „zur Sache geht“, blieb der Klang voll und süffig.
Als Einleitung zum Klavierkonzert kam ein Werk des zeitgenössischen Komponisten Enjott Schneider zur Aufführung. „Florestan und Eusebius“ zitiert aus verschiedenen Werken Schumanns und verbindet die Zitate zu einer Collage, die nach Schumanns eigener Aussage seine beiden Hauptcharakterzüge symbolisieren: den extrovertierten, manischen Florestan und den introvertierten, depressiven und nachdenklichen Eusebius. „Tränen und Flammen“ war das Programm überschrieben, und Schneiders Komposition schildert in nuce den Kampf der zwei Seelen in Schumanns Brust.
Das Weseler Publikum brachte seine Begeisterung mit anhaltendem Beifall zum Ausdruck.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 21.1.2019:
Romantik, Neo-Klassik und Tango
Das Trio Unico fasziniert im Bühnenhaus vor allem mit wunderbaren Piazzolla-Interpretationen

Von Eva Karnofsky

Unico, einzigartig, das waren sie, die drei jungen Musiker des Trio Unico, die am Freitagabend im Bühnenhaus vier Komponisten verschiedener Epochen spielten. Ihre Interpretation des argentinischen Tango-Komponisten und –Erneuerers Astor Piazzolla (1921 – 1992) sucht ihresgleichen, doch ob Romantik oder Moderne – dem Trio Unico gelang es. Entsprechend begeistert war das Publikum.

Eigentlich nicht erstaunlich, denn Flötistin Myriam Ghani, Cellistin Katarina Schmidt und Pianist Victor Soos haben, obwohl alle noch unter 30 Jahren, schon bedeutende Musikpreise gewonnen und mit namhaften Orchestern gespielt. Katarina Schmidt wurde ein Violoncello von 1751 aus dem Deutschen Musikinstrumentenfonds zur Verfügung gestellt – auch das eine Auszeichnung. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Töne sie dem Instrument entlockt, ganz gleich, ob sie es zupft oder mit dem Bogen spielt. Wenn jemand noch herausragte bei dem wunderbaren Konzert, dann die grandiose Cellistin. Der Städtische Musikverein Wesel hat wieder mal eine sichere Hand bei der Einladung der Künstler bewiesen.

Den Anfang des Konzerts macht ein Trio g-Moll von „Freischütz“-Komponist Carl-Maria von Weber (1786 – 1826), der gemeinhin als der Begründer der Romantik gilt. Gleich im ersten Satz fällt auf, wie warm und kraftvoll das Trio Unico daherkommt und wie präzise das Zusammenspiel funktioniert. Im zweiten Satz gefällt besonders die tirilierende Flöte. Der Flügel tritt oft hinter den beiden anderen Instrumenten zurück, doch wenn, wie im dritten Satz, Victor Soos mal allein zu hören ist, überzeugt der erst 22-Jährige durch sein wohl temperiertes Spiel.

Danach dann Piazzolla, genauer sein „Invierno Porteño“, der Winter von Buenos Aires aus dem Jahr 1969. Die drei versetzen den Zuhörer in eine Tango-Kneipe der argentinischen Hauptstadt, bringen Melancholie und Tristesse ihrer Bewohner sowie die Enttäuschung über das ärmliche Dasein exakt rüber. Sie haben das Gefühl genau verstanden, das Piazzolla transportieren möchte. Und sein Bandoneon vermisst man nicht, denn da ist ja das wunderbare Zusammenspiel von Violoncello und Flöte, das dessen tragende Rolle übernimmt. Als Zugabe bringen die drei dann noch den Frühling von Buenos Aires, „Primavera Porteña“, von 1971: Die Stimmung ist quirlig und aufgekratzt, doch immer wieder dringt sie durch, die Melancholie der Stadt und des Tango.

Das Trio des tschechischen Neoklassikers Bohuslav Martinu (1890 – 1959) kommt fröhlich, ja tänzerisch daher und Katarina Schmidt entlockt ihrem Cello die unglaublichsten Töne, auch ihr Bogen tanzt förmlich über die Seiten. Mit einem der „Hits“ der Romantik, dem Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 49 von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847), begeben sich die drei zum Schluss auf bewährtes Konzert-Terrain – weich und harmonisch zunächst, dann perlend und schnell.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 17.12..2018:
Überzeugendes Zusammenspiel mit melancholischer Note

Das Klaviertrio Würzburg gastierte im Bühnenhaus. Städtischer Musikverein trauert um Renate Brützel.
Von Christian Braumann

Das Klaviertrio Würzburg war am Freitagabend im Bühnenhaus Wesel zu Gast mit einem Pogramm mit Werken von Franz Schubert, Camille Saint-Saëns und Peter Tschaikowsky.
Die drei Musiker haben sich schon während des Studiums zusammengefunden. Das Ensemble existiert seit 2001 und besteht aus den Schwestern Katharina und Karla-Maria Cording (Violine und Klavier) und dem Cellisten Peer-Christoph Pulc.
Zu Beginn des Konzerts stand das sogenannte „Notturno“ von Franz Schubert auf dem Programm, ähnlich wie die berühmte „Mondscheinsonate“ von Ludwig van Beethoven ein Werk, dem geschäftstüchtige Verleger einen Titel hinzugefügt haben, ohne dass der Komponist daran gedacht hätte, einen Titel festzulegen.
Sehr ruhig ließen die Musiker das Konzert beginnen: die Terzen- und Sextenpassagen der Streicher entfalteten sich breit über der perlenden Begleitung des Klaviers. Den ganzen Abend über fiel auf, dass sich Karla-Maria Cording dynamisch sehr zurückhielt, so dass die Streicher auch an den leisen Stellen sehr gut zu hören waren.
Das zweite Klaviertrio von Camille Saint-Saëns ist schon wegen der Zahl der Sätze bemerkenswert: Statt, wie üblich für die Kammermusik dieser Zeit, drei- oder viersätzig, umfasst dieses Werk fünf Sätze. Auch in diesem Trio überzeugte das gute Zusammenspiel der drei Musiker des Klaviertrios Würzburg. Den zentralen langsamen Satz, der von an Robert Schumann erinnernden Sätzen eingerahmt wird, fassten die drei Musiker eher lyrisch als leidenschaftlich auf. Mit dem fugierten Finale entließ das Trio die Zuhörer des etwa zur Hälfte gefüllten Bühnenhauses in die Pause.
Auch das abschließende Trio von Peter Tschaikowsky ist ein eher lyrisch-melancholisch geprägtes Werk. Es ist „Dem Andenken eines großen Künstlers“ gewidmet: Zum ersten Todestag von Nikolai Rubinstein, dem Gründer des Moskauer Konservatoriums, wurde es uraufgeführt.
Das Klaviertrio Würzburg wählte auch hier einen verhalten-versonnenen Stil der Interpretation. Gelegentlich hätte man sich, zum Beispiel im Finale, das immerhin „risoluto“ und „con fuoco“ (mit Feuer) überschrieben ist, ein wenig mehr Brillanz gewünscht.
Die Zuhörer erklatschten sich noch eine Zugabe: Der „Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns bildete den Abschluss des Konzerts.
Natürlich war es ein Zufall, dass das Konzert von melancholisch-trauriger Musik geprägt war, leider jedoch passte diese Atmosphäre genau zu diesem Abend: Nach der Pause musste Dr. Max Brandt vom Städtischen Musikverein dem Publikum mitteilen, dass Renate Brützel, die Vorsitzende des Musikvereins, einige Tage zuvor völlig unerwartet verstorben war. Und so wird mancher das abschließende Tschaikowsky-Trio mit anderen Ohren gehört haben…

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 26.11.2018:
Musikalische Reise durch Europa – Tango, Boléro und die Piaf

Die Hellweger Cellisten begeisterten im Bühnenhaus mit einer musikalischen Reise durch Europa
Von Eva Karnofsky

Man glaubt es kaum, doch ein Cello kann ein Bandoneon ersetzen. In einer Komposition, die eigens für das Handzuginstrument geschrieben wurde, von niemand geringerem als dem Argentinier Astor Piazzolla, dem Meister des Tango Nuevo. Wenn dessen „Libertango“ dann noch präzise und mindestens genauso leidenschaftlich rüberkommt, dann müssen schon große Musiker am Werk sein. Dass sie das sind, bewiesen „Die zwölf Hellweger Cellisten“ am Freitag im Bühnenhaus.
Zwölf Celli, acht Frauen, vier Männer, aus acht Ländern, von drei Kontinenten: Unter der musikalischen Leitung von Felicitas Stephan aus der Hellweg-Stadt Unna verdienten sie sich stehende Ovationen.
„Paris – Eine musikalische Reise in die Stadt der Liebe“ hieß ihre Klangreise durch verschiedene Länder Europas, die mit einer hinreißenden Interpretation des „Boléro“ von Maurice Ravel an der Seine endete. Den besonderen Reiz der Cello-Version des „Boléro“ machte aus, dass der immer gleiche Takt mal auf dem Instrumentenkörper geklopft, mal mit dem Plektrum erzeugt und mal „normal“ mit dem Bogen gestrichen wurde. Ein Erlebnis und nach Piazzolla der zweite Höhepunkt des Abends, in den der Südamerikaner insofern passte, als er mehrfach längere Zeit in Paris gelebt hat.
Doch nichts, was nicht hörenswert gewesen wäre. „Ases Tod“ aus der Peer-Gynt-Suite des Norwegers Edvard Grieg zeigte, dass Celli besonders gut Trauer ausdrücken können. Wenig später, mit dem Stück „Kobold“, bewiesen die Zwölf dann noch, dass nicht nur ein Klavier, sondern auch ein Cello das Schalkhafte, Ausgelassene dieser Figur vermitteln kann.
Niemand wird musikalisch so mit Paris verbunden wie Edith Piaf, und so durften ihre beiden Chansons „Sous le ciel de Paris“ und „Milord“ nicht fehlen. Die Rhythmuswechsel vom Walzer zum Charleston gelangen wunderbar, und man traut es sich kaum zu sagen: Der Zuhörerinnen und Zuhörer vermissten die Piaf nicht einmal.
Werke von Georg Friedrich Händel, der Franzosen Joseph de Boismortier, Claude Debussy und Gabriel Fauré, des Letten Karl Davidoff und des Spaniers Isaac Albéniz waren weitere Stationen auf der wunderbaren Reise nach Paris, wobei niemand, man ahnt es schon, lieber die Gitarre gehört hätte, die Albéniz für sein „Asturias“ vorgesehen hatte. Die musikalische Tour begann mit Händel im 17. Jahrhundert, und mit ihrer Zugabe, Paul McCartneys „Yesterday“, zeigten „Die zwölf Hellweger Cellisten“, dass sie sich auch auf die Gegenwart verstehen.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 15.10.2018:
Eine Huldigung an Bernstein

Das Sonic Art Saxophonquartett feierte den 100. Geburtstag des amerikanischen Komponisten mit einem tollen Auftritt im Bühnenhaus
Alexander Florié-Albrecht

Ein besonderer Komponist verdient eine besondere musikalische Würdigung – dieser Gedanke muss die Verantwortlichen des Städtischen Musikvereins Wesel wohl geleitet haben.
Zum 100. Geburtstag des Amerikaners Leonard Bernstein hatte man mit dem Sonic Art-Saxophonquartett vier außergewöhnliche Musiker ins Bühnenhaus eingeladen, die mit ihren musikalischen Fertigkeiten dessen großes künstlerisches Erbe angemessen darbieten konnten.
Dabei unterstrichen Adrian Tully (Sopransaxophon), Alexander Doroshkevich (Altsaxophon), Claudia Meures (Tenorsaxophon) und Annegret Tully (Bariton-Saxofon), warum sie seit ihrer Gründung 2005 mit mehreren internationalen Musikpreisen ausgezeichnet worden sind.
Was das Quartett auszeichnete an diesem Abend, war ein hoher Grad an Stilsicherheit, Filigranität und Spielwitz, eine traumwandlerische Sicherheit im Zusammenspiel und eine gelungene Symbiose aus Technik und Gefühl.
Schon mit Bernsteins „Candide Ouverture“ traten all diese Eigenschaften zutage: ein auch körperlich lebendiges, sehr gut miteinander harmonierendes Ensemble, technisch auf extrem hohem Niveau und dabei mit unmittelbarer Ausstrahlung, den klassischen wie auch humorvollen Anteil der Komposition hörbar zu machen.
Man habe bewusst auch „Weggefährten und Freunde“ Bernsteins mit in das Programm mit einbezogen, erläuterte Claudia Meures, ehe das Quartett ein Vorbild von Bernstein und „zweiten bedeutenden Komponisten des 20 . Jahrhunderts“, George Gershwin, mit „Porgy and Bess“ interpretierte.
Ob swingig-furios wie bei „Jasbo Brown“, weich-sensibel wie bei dem Klassiker „Summertime“ als kammermusikalisches Dixieland in Zeitlupe oder dem charmanten „It ain’t necessarily so“ – die vier trafen wortwörtlich den richtigen Ton. Auch bei den vier kurzen Blues­stücken von Aaron Copland bewiesen sie ihr gutes Feeling und Timing, mit Bernsteins „Slava!“ die passende Portion Humor.
Und nach der Pause konnten die vier Musiker aus Weißrussland, Australien und Deutschland das Niveau nochmal ein Stück anheben. Die „Three preludes“ von Gershwin gerieten zu einer toll vom Klavier übertragenen Melange aus Bossa, Blues, getragener Ballade und innigem Mitschnipp­stück.
Geradezu sensationell-sentimental und mit großer Klasse interpretierten die vier Samuel Barbers „Adagio“, ehe ein brillanter 26-minütiger Streifzug durch Bernsteins „Westside Story“ mit unfassbar gefühlvoll-emotionalen, spielerisch exzellent dargebotenen Versionen von „I feel pretty“, „Somewhere“ oder der „Balcony Scene“ das Highlight des Abends waren.
Als Zugaben sorgten die vier im Stehen mit „I want to be in America“, dem sehr gefühlvollen Satz von Philipp Glass, und „I got rhythm“ für weiteren Ohrenschmaus, bis auch der letzte Gast mit einem lachenden – und vielleicht weinenden – Auge das Bühnenhaus nach einem beeindruckenden Konzert verließ.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 1.10.2018:
Ein beschwingter Genuss – Politik und Musik passen perfekt

Mit einem außergewöhnlichen Konzert der Neuen Philharmonie Westfalen wurden 60 Jahre Städtisches Bühnenhaus gefeiert. Schauspieler August Zirner als Sprecher

Eva Karnofsky

Dirigent Rasmus Baumann und die Neue Philharmonie Westfalen waren bestens aufgelegt. Mit Schauspieler August Zirner hatte das Orchester aus Recklinghausen zudem einen illustren Sprecher mitgebracht, und so wurde das Konzert zum 60. Geburtstag des Städtischen Bühnenhauses am Samstag ein vor allem beschwingter Genuss, obwohl der Titel „Politik“ eigentlich eher schwere Kost vermuten ließ.
Bevor es losging, wies Hausherr Paul Borgardts noch auf die Vielfalt hin, die das Bühnenhaus von je her zu bieten hat, und Bürgermeisterin Ulrike Westkamp erinnerte an die Entstehungsgeschichte, daran, dass die Theatertradition in Wesel zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einer Kneipe in der Magermannstraße ihren Anfang nahm.
Mit der 9. Sinfonie in Es-Dur von Dmitri Schostakowitsch (1906– 1975) leitete ein Werk den Abend ein, das der russische Komponist nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geschrieben hatte. Der Kreml, in dem damals Stalin residierte, erwartete eine bombastische Sinfonie, die dem Sieg huldigte, doch Schostakowitsch enttäuschte die Politik: Seine Neunte kommt mal trällernd, mal tänzerisch leicht, mal wie eine Zirkusmusik daher, und dann wieder glaubt man, dem Soundtrack eines Horrorfilms zu lauschen. Allein von einem Siegesmarsch keine Spur. Schostakowitsch hatte sich über Stalin lustig gemacht. Die Interpretation der Neuen Philharmonie Westfalen unterstreicht das Burleske des Werks.
Kernstück des Konzerts ist „A Lincoln Portrait“ des US-Komponisten Aaron Copland (1900– 1990), der während der McCarthy-Zeit wegen angeblicher kommunistischer Umtriebe in Hollywood auf der schwarzen Liste stand. Sein „A Lincoln Portrait“ entstand 1942. Das Besondere daran ist nicht nur, dass die Musik den melancholisch-nachdenklichen Charakter des einstigen US-Präsidenten nachempfindet – es wird auch immer ein berühmter Sprecher dazu eingeladen, aus berühmten Texten Abraham Lincolns zu rezitieren. Paul Newman oder Tom Hanks haben schon seine bis heute aktuelle Botschaft an den Kongress „Mitbürger, wir können der Geschichte nicht entfliehen“ zu Coplands Musik gelesen. In Wesel übernahm dies August Zirner, er las das englische Original. Als Sohn österreichisch-amerikanischer Juden ist Zirner in den USA aufgewachsen. Während er spricht, nimmt sich das Orchester zurück, trägt nur leise die kräftigen Worte, so dass Lincolns Bild vor dem geistigen Auge entstehen kann. Zirner spricht ohne Pathos, und dies „unsere Probleme sind neu für uns, deshalb müssen wir neue Wege beschreiten. Wir müssen jeden Zweifel und jede Angst abschütteln“ aus dem Jahr 1862 klingt aus seinem Munde so, als richte er sich an die Politik von heute. Er hat den Ton getroffen, das signalisiert der Applaus.
Zum Schluss eine Sternstunde – Ludwig van Beethovens (1770– 1827) dritte Sinfonie, die „Eroica“. Unangestrengt, mit viel Engagement und Spielfreude zeigt sich die Neue Philharmonie Westfalen. Das Ergebnis ist perfekt. Mit seiner „Heldischen“ hatte Beethoven Napoleon feiern wollen. Doch als dieser die Ideale der Französischen Revolution verriet, zog der Komponist die Widmung zurück. Auch das war Politik.

NRZ und RP (Ausgabe Wesel) am 28.8.2018
Eine Tastenvirtuosin ersten Ranges – Japanerin begeistert am Klavier

Aya Sakamoto spielte beim Jubiläumskonzert des 20. Klaviersommers in Wesel. Die international gefragte Musikerin hat sogar schon vor dem japanischen Kaiserpaar im Palast in Tokio gespielt.

VON DIETER KRÜSSMANN
Genau 20 Jahre ist es her, dass die Idee zum Weseler Klaviersommer entstand. Jedes Jahr, und zwar immer an einem Sonntag in den Monaten Mai bis August, kommen hoch künstlerisch begabte junge internationale Pianisten nach Wesel in die Aula der Musik- und Kunstschule in der Zitadelle.
Dieses musikalische Event hat sich mittlerweile weit herumgesprochen und ist zu einer festen Größe im sommerlichen Kulturangebot der Hansestadt geworden. Dafür haben sich der Städtische Musikverein, die Niederrheinische Sparkasse Rhein-Lippe, die Klavierfirma Kawai und die Musik- und Kunstschule stark gemacht.
Besonderheit ist, dass in den 20 Jahren, also bei 80 Veranstaltungen, 80 Pianisten und Pianistinnen aus 16 Nationen (darunter Japan, USA, Russland, Griechenland, Deutschland und Korea) ihre Fingerfertigkeit gezeigt haben. Das heißt, dass nicht eine Veranstaltung ausgefallen ist. Die Zuhörerschaft stieg von Jahr zu Jahr.
Eigentlich war geplant, das Jubiläumskonzert Nr. 80 ins benachbarte LVR-Niederrheinmuseum zu verlegen, doch man entschied sich wegen der Atmosphäre und der guten Akustik wieder für die Aula. Alle bisherigen Künstler hatten dies bestätigt. Dieses Mal war Aya Sakamoto aus Japan zu Gast. Entgegen den Ankündigungen bekam das Publikum – mehr als 130 Klassikliebhaber waren gekommen, darunter auch Bürgermeisterin Ulrike Westkamp – nicht die geplanten Klavierwerke von Josef Haydn, Franz Schubert, Johann Sebastian Bach und Ferruccio Busoni zu hören.
Ludwig van Beethovens Andante Favori WoO. 57 und Sergej Rachmaninovs Variations on a Theme of Corelli op. 42 standen auf dem Programm. Hinzu kam eine moderne Komposition von Minako Tokuyama. Im zweiten Teil standen Werke von Franz Liszt im Vordergrund. Mit Années de pèlerinage – Premières Années „Suisse“ S. 160 mit gleich sechs Passagen sowie dem weltberühmten „Liebestraum Nr. 3“ gab es Leckerbissen. Ohne eine Zugabe mit einer Komposition von Frederic Chopin ging die sympathische Japanerin, die auch gut Deutsch spricht, nicht von der Bühne.
Aya Sakamoto, die im Alter von sechs Jahren mit dem Klavierspiel begann, begeisterte. Äußerst konzentriert, mit viel Fingerspitzengefühl und sehr gutem Ausdruck und Anschlag konnte man eine hochbegabte Klavierspielerin erleben. Man hatte den Eindruck, als berührte sie alle Tasten des Flügels. Sie ist eine gefragte Künstlerin, erhielt zahlreiche Preise und hatte 2012 sogar die Ehre, vor dem japanischen Kaiserpaar im Palast in Tokio zu spielen. Darüber hinaus konzertiert sie mit berühmten Orchestern und spielt regelmäßig in Berlin, Moskau, Spanien und natürlich auch in ihrem Heimatland

NRZ und RP-8.5.2018, Wesel
Zwischen Zärtlichkeit und Hetzjagd – Fulminanter Auftakt des Weseler Klaviersommers

Der Koreaner Jaeyeon Won eröffnet mit einem fulminanten Auftritt den Weseler Klaviersommer in der Musik- und Kunstschule

Von Alexander Florié-Albrecht

Vor dem Beginn des eigentlichen Konzerts richtete die Leiterin der Musik- und Kunstschule, Dagmar Beinke-Bornemann, einige persönliche Worte an die Anwesenden. „Ich bin ein bisschen stolz auf 20 Jahre Klaviersommer – damals 1998 war das noch ein anderes Umfeld als heute“. Sie dankte allen Zuschauern, Unterstützern und Sponsoren der vergangenen Jahre, ohne die eine Serie von dieser Dauer und mit dieser Musik schlicht nicht möglich gewesen wäre.
Danach leitete sie die Aufmerksamkeit auf den Künstler des Abends, das koreanische „Multitalent“ Jaeyeon Won, der – in Seoul geboren und in Köln lebend – mit sechs Jahren Klavier zu spielen begann, sich einen guten Ruf bei diversen nationalen und internationalen Wettbewerben verschaffte und zuletzt beim 61. Busoni-Klavierwettbewerb 2017 den zweiten Preis und den Publikumspreis gewann.
Dass dies durchaus seine nachvollziehbare Berechtigung hat, davon konnten sich die Zuhörer in der Aula der Musik- und Kunstschule an der Zitadelle in den folgenden knapp zwei Stunden ein angemessenes Bild machen.
Denn der 30-Jährige zauberte mit Fingerfertigkeit, technischer Klasse und brilliantem Spiel ein Programm auf höchstem Niveau herbei, das das Publikum in verschiedene emotionale (Klang-)Welten entführte und die Meisterschaft des jungen Pianisten eindrucksvoll unterstrich.
Zum Auftakt bot Won die „Klaviersonate in C-Dur“ von Joseph Haydn, eine romantische Komposition mit zarter Grundmelodie, deren Töne er beim „Andante con espressione“ im Raum „atmen“ ließ, um sie anschließend mit fließenden, heiter-pointiertem Ansatz und fast träumerischer Note dem Publikum zu Gehör zu bringen. Das „Rondo“ öffnete das Ganze zu einem vielschichtigem, phasenweise dramatischen Klangbild.
Im Anschluss daran brillierte der Koreaner mit den „Apparitions Nr. 1“ von Franz Liszt – mit Intensität, viel Gespür und Ausdruck interpretierte er das poetisch-melancholisch anmutende Stück, gab ihm viel Charisma, Leichtigkeit und Zartheit mit.
Der Kontrast danach hätte nicht klarer ausfallen können – Bela Bartoks „Im Freien“ geriet zu einem atonal-abstrakten, furiosen Klangfeuerwerk, das vor der Pause für Begeisterung sorgte.
„Mit Trommel und Pfeifen“ wirkte tatsächlich so, als könne man auf dem Klavier einen metallischen Schlag hören. Die „Bacarolla“ geriet zur erneuten Aufwallung der Akkorde, die „Musettes“ fast verstörend in der Brechung klassischer Formen mit tollem Touch. Geradezu atmos­phärisch-unheimlich waren dann die „Klänge der Nacht“, ehe Won die „Hetzjagd“ mit stakkatohaft-galoppierenden Sätzen im atemberaubenden Tempo erfahrbar werden ließ.
Nach der Pause brillierte der Koreaner nochmal mit zwei weiteren großen Meistern – der „Humoreske in B-Dur“ von Robert Schumann und der fabelhaften „Danse Macabre“ von Camille Saint-Saens, wo Jaeyeon Won nochmal seine Klasse unterstrich – ein würdiger Auftakt der Klaviersommer-Reihe.

NRZ und RP-30.4.2018, Wesel

Bravo-Rufe und viel Applaus für Musiker aus Duisburg

Seit vielen Jahren kommen die Duisburger Philharmoniker nach Wesel ins Bühnenhaus und beeindrucken das Publikum mit ihrer Qualität. Zum Abschluss der Konzertsaison 2017/18 gab es noch einmal einen musikalischen Leckerbissen für alle Klassikfreunde. Unter der Leitung von Axel Kober, Generalmusikdirektor an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg und jetziger Chefdirigent des Duisburger Orchesters, wurden Werke von drei Komponisten des 19. Jahrhunderts präsentiert.

Von Dieter Krüssmann

Bereits eine Dreiviertelstunde zuvor gab der Voerder Musiker Christian Braumann im Foyer eine kleine Einführung ins Programm. Im Mittelpunkt stand die in der Schweiz aufgewachsene, noch junge Louise Pollock, eine preisgekrönte Solistin, die als Erste Soloposaunistin an der Oper im schwedischen Göteborg eine feste Stelle hat. Sie spielte das Concertino für Posaune und Orchester op. 4, Es-Dur mit drei Sätzen von Ferdinand David (1810-1873), eines Kollegen von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Die 28-Jährige beherrscht das Blasinstrument, das in Musikerkreisen oft als „Schiebetrompete“ bezeichnet wird, perfekt. Farbenreich und klangschön war ihr Spiel. „Was muss diese zierliche Person bloß für eine Lunge haben“, sagte eine der vielen Zuhörerinnen.
Das weniger bekannte Werk war schon ein hochvirtuoses Stück vom Konzertmeister des Leipziger Gewandhausorchesters, mit dessen Namen die meisten Klassik-Kenner wohl nicht viel anfangen können. Aber das war noch nicht alles an diesem wunderbaren Konzertabend. Da war zum einen am Anfang die Streicherserenade E-Dur, op. 22 von Antonin Dvorak (1841-1904), die über sechs verschiedene Sätze verfügte. Axel Kober dirigierte mit Leichtigkeit ein gut einstudiertes Streichorchester.
Selten hört man solch einen erstklassigen Klangkörper. Die Philharmoniker spielten zudem die berühmte Schauspielmusik zu William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) mit Ouvertüre, Scherzo und Intermezzo. Schlusssatz bildete der zackige „Hochzeitsmarsch“, das wohl meist gespielte Werk bei Trauungen in aller Welt. Ganze 17 Jahre alt war der Komponist, der 1826 die Ouvertüre schrieb und 1843 noch den Hochzeitsmarsch hinzufügte. Besonders auffällig war, dass das Orchester umbesetzt war – die ersten und zweiten Violinen saßen gegenüber, die Violoncelli in der Mitte und die Kontrabässe spielten auf der linken Seite, während oben die Bläser saßen. Das ergab ein gutes Klangbild.
Am Ende dann Bravo-Rufe, langer Beifall und Blumensträuße für die Solistin und den Dirigenten.

NRZ und RP-20.3.2018, Wesel
Neue Philharmonie Westfalen überzeugte

Daniel Ottensamer zeigte im Städtischen Bühnenhaus seine überragenden Künste an der Klarinette

Von Alexander Florié-Albrecht

Wenn sich Teile eines Klassikpublikums schon am Ende des ersten Konzertteiles von ihren Sitzen erheben, dann muss schon etwas ganz Besonderes passiert sein. So verhielt es sich am Sonntagabend im Städtischen Bühnenhaus, als der gebürtige Wiener Daniel Ottensamer die Glückwunsche des Dirigenten Nicholas Milton entgegennahm und ein kleines Dankespräsent erhielt.
Denn in der halben Stunde zuvor hatte der 31-Jährige mit seinem klaren, sauberen und ungeheuer filigranen, leichtfüßig wirkenden Spiel das Klarinettenkonzert Nr. 1, f-Moll op. 75 von Carl Maria von Weber als Solist veredelt.
Vor dessen außergewöhnlicher Leistung hatte das 40-köpfige Ensemble der „Neuen Philharmonie Westfalen“ die Qualitätslatte schonmal enorm hoch gelegt. Bereits der Auftakt geriet mit der „Hebriden-Ouvertüre op. 26“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy zu einem besonderen akustischen Vergnügen.
Dem Orchester gelang es auf furiose Art und Weise, die melodische Poesie des Hauptthemas, das von Bratsche, Cello und Fagott vorgetragen wurde, mit der Dramatik der Streicher zum aufgewühlten, wuchtigen Wellensturm zu verbinden, der „musikalisch“ gegen die schottischen Hebriden-Inseln peitscht.
Im Anschluss trat Daniel Ottensamer auf und sein feiner, lupenreiner und ästhetischer Klang prägten „Allegro“, „Adagio ma non troppo“ und insbesondere das „Rondo: Allegretto“. Mit einer geradezu spielerischen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit flogen seine Hände in höchsten Tempo über das Instrument, verlieh er der Musik Dynamik, sinnliches Gefühl und Klang. Dazu ergänzte ihn das Orchester mit der ganzen Bandbreite seiner Instrumente, setzte mit den drei Hörnern und dem gemütvollen Choral den „Signaturklang“ der deutschen Romantik.
Nach der Pause durfte das Orchester ohne den Solisten ran – was der Qualität der Darbietung aber keinerlei Abbruch tat. Franz Schuberts „große“ C-Dur Sinfonie, die als eine der Schlüsselwerke der Frühromantik gilt, geriet zu einem wunderbaren Klangerlebnis aus einem Guss.
Das romantische Thema des Solohorns zum Auftakt wanderte im „Andante“ in die Hörner und zu den Streichern, ergänzt durch die triolierten Achtelfiguren der Violinen, die damit die Bewegungsenergie der Musik bis zum verdichteten Orchester-Höhepunkt steigerten.
Kribbelnde Spannung, tolles Tempo und große Energie erlebte das Publikum mit dem „Allegro vivace“ – starkes Ende eines Konzerts, das es verdient gehabt hätte, nicht nur vor halbleeren Rängen stattzufinden.

NRZ-22.2.2018, Wesel
Hommage an Robert und Clara Schumann kam an

Der Städtische Musikverein Wesel hat es wieder einmal geschafft, einen ganz besonderen Konzertabend zu veranstalten. Unter dem Titel „Widerhall“ konnte man sich zunächst einmal gar nichts vorstellen. Die bekannte Sopranistin Stefanie Wüst hatte bei der Vorbereitung verschiedene Bücher über das Ehepaar Robert und Clara Schumann gelesen und hieraus eine Hommage an die beiden Komponisten erstellt. Begleitet wurde sie vom Neuen Rheinischen Streichquartett mit Albert Rundel und Gudrun Höbold (Violine), Valentin Alexandru (Viola) und Martin Burkhardt (Violoncello).

Das Hauptthema waren acht Lieder von Clara Schumann mit Introduktion und Intermezzi in der Bearbeitung von David Graham (geb. 1951), einem Komponisten, der an diesem Abend auch anwesend war. Mehrere Gedichte von Heinrich Heine sowie Emanuel Geibel waren es, die fein säuberlich von der Sopranistin vorgetragen wurden.
Sechs Gesänge op. 107 von Robert Schumann in der Bearbeitung für Streichquartett von Aribert Reimann waren ein weiterer Höhepunkt. Ursprünglich wurden sie für Klavier geschrieben. Der Ehemann befasste sich mit Texten von Titus Ulrich wie „Herzeleid“ und „Die Fensterscheibe“ sowie mit Paul Heyses „Die Spinnerin“, Eduard Mörikes „Der Gärtner“, Johann Gottfried Kinkels „Abendlied“ sowie „Im Wald“, getextet von Karl Wolfgang Müller von Königswinter.
Das Publikum musste schon andächtig lauschen, alle Lieder waren sehr inniglich. Es gab tief beeindruckende Texte über die Natur, das Leiden, über die Mondfinsternis, Wege des Scheidens sowie über die Liebe. Das merkte man auch bei der Begleitung des Ensembles sowie den wahrhaft hohen und klaren Tönen der Sopranistin.

Eine ganz besondere Note erhielt der Liederabend zusätzlich durch den Schauspieler Sören Wunderlich vom Schauspielhaus Bonn. Er las Originaltexte aus Briefwechseln, Haushaltsbüchern, Liebeserklärungen und Tagebüchern vor. Teilweise wurden sie heimlich im Kämmerlein geschrieben. Aber auch aus historischen Schriften erfuhren die Zuhörer vieles über das Leben, die Liebe und Probleme der Schumanns. Robert war bis zu seinem Tod im Jahre 1856 in Clara verliebt. Das konnte man an seinen poetischen Briefen erkennen. Er selbst war nicht nur Komponist, sondern auch Redakteur der „Neuen Zeitschrift für Musik“. Nicht immer hatten es die beiden leicht. Er musste beispielsweise eine gerichtliche Erlaubnis zur Eheschließung erzwingen. Claras Vater Friedrich Wieck war gegen die Ehe. Die Ehejahre waren geprägt von Konzertreisen, Kompositionen sowie acht Kindern.
Auch über seinen Freund Johannes Brahms, dessen Streichquartett Nr. 2 op. 51, a-Moll mit vier Sätzen gespielt wurde, erfuhr man, dass er sich rührend um Schumanns Familie gekümmert hat. Er selbst war auch ein glühender Verehrer von Clara. Die Hommage an das Paar kam beim Publikum bestens an: Blumen und langer Beifall.
Das nächste Konzert findet am Sonntag, 18. März, 20 Uhr, im Bühnenhaus statt. Zu Gast ist die Neue Philharmonie Westfalen. Gespielt werden Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Franz Schubert und Carl Maria von Weber.
(dk)

NRZ-22.1.2018, Wesel
Mit viel Herzblut und einer Portion Verrücktheit

Von Dieter Krüssmann

Jakob Encke, Daniel Stoll, Sander Stuart und Leonhard Disselhorst – diese Namen sollte man sich merken. Zusammen bilden sie das Vision String Quartet. Die vier ausgezeichneten, nicht einmal 30 Jahre alten Musiker verzauberten das Publikum im Städtischen Bühnenhaus.
Jakob Encke, Daniel Stoll, Sander Stuart und Leonhard Disselhorst – diese Namen sollte man sich merken. Zusammen bilden sie das Vision String Quartet. Die vier ausgezeichneten, nicht einmal 30 Jahre alten Musiker verzauberten das Publikum im Städtischen Bühnenhaus.

Wenn man von einem Streichquartett mit besonderer Wandlungsfähigkeit spricht, dann kann es sich nur um diese Musiker handeln. Sie sind in berühmten Spielstätten wie dem Gewandhaus Leipzig, dem Konzerthaus Berlin oder auch der Elbphilharmonie gefragt. Das hat auch mit der besonderen Art ihres Auftritts zu tun. Nicht ein Notenständer war zu sehen. Alle Stücke wurden auswendig gespielt. Das Besondere war auch, dass die Geigenvirtuosen im Stehen spielten, bis auf den Cellisten. Das ist man bei Kammerkonzerten gar nicht gewohnt.

Die Mitglieder des Ensembles widmen sich sowohl der klassischen Musik, aber auch ganz besonderen Elementen. Das, was an dem Abend vorgeführt wurde, war schon verrückt und unterschiedlich. Im ersten Teil spielte das Quartett Franz Schuberts (1797-1828) Streichquartett Nr. 14 d-Moll, D 810 mit dem Titel „Der Tod und das Mädchen“. Schubert hat das Quartett für zwei Violinen, eine Viola und ein Violoncello im Jahre 1824 komponiert. Die vier Sätze Allegro, Andante con moto, Scherzo: Allegro molto und Presto – Prestissimo waren alle in moll gehalten. Als absolute Musik hat diese Komposition aber nichts mit dem Titel zu tun. Der Ablauf gestaltete sich rein nach innermusikalischen Gesetzen und Ausdrucksformen.

Nach der Pause kamen die Künstler mit den gleichen Instrumenten zurück, dieses Mal aber verstärkt durch Mikrofone. Zwei Violinen, gespielt von Jakob Encke und Daniel Stoll, eine Viola (Sander Stuart) und das Violoncello, gespielt von Leonhard Disselhorst, wurden zu anderen Instrumenten: Das Cello etablierte sich zum Kontrabass, die Geigen wurden wie Ukulelen gespielt und auch als „Schlagzeug“ benutzt. Das musste man gehört haben.

Jetzt ertönten rockige Klänge. „Come together“ von den Beatles, Songs von Benny Goodman und dem Jazz-Saxofonisten Oliver Nelson oder Kompositionen aus „Porgy and Bess“ von George Gershwin. Auch die durch Frank Sinatra populär gewordene Melodie „London by night“ kam vor. Jetzt zeigten die Musiker, was man alles mit Streichinstrumenten machen kann. Sie wurden zu Teufelsgeigern mit viel Herzblut. Bis zum Schluss bewahrten sie sich das „Try to remember“ sowie eine Eigenkomposition auf. Eine wirklich gelungene Veranstaltung!

RP-23.1.2018, Wesel
Rebellen mit einer Botschaft

Das Vision String Quartet bewies am Samstagabend im Weseler Bühnenhaus eindrucksvoll mit handwerklichem Können und einer spannenden Bandbreite seine große Klasse.
Das Vision String Quartet gastierte am Samstagabend im Städtischen Bühnenhaus Wesel – vier junge, außergewöhnlich gute Musiker, nur scheinbar schräge Gesellen.

Von Hanne Buschmann

Samstagabend im gut gefüllten Bühnenhaus: Der erste Geiger hebt den Blick, dann den Bogen, abermals seinen Blick – und alle vier Bogen des Streichquartetts schneiden einen Weckruf, falsch, einen Weck-Schrei in den Raum. Der saß. Einige bekräftigende Töne – und wieder ein Schrei: der Beginn von Schuberts Streichquartett Nr. 14 d-Moll, D 810, „Der Tod und das Mädchen“.
Zu verdanken ist es dem stellvertretenden Vorsitzenden des Städtischen Musikvereins, Max Brandt, der die jungen, außergewöhnlich guten Musiker, mutigen Gründer sowie auch weiterhin Gestalter des Vision String Quartets nach Wesel geholt hat. Natürlicherweise sind es Rebellen, die es geschafft haben, gehört zu werden mit ihrer Botschaft des neuen Denkens, die natürlich die uralte ist, aber immer neu zum Leben erweckt werden muss (mal Nietzsche lesen).
Der erste Geiger Jakob Encke darf schon als Primarius bezeichnet werden. Daniel Stoll an der zweiten Violine, Sander Stuart an der Viola, der unseligerweise oft nebenher zur Kenntnis genommenen Bratsche, und Leonhard Disselhorst am Cello. Der einzige sitzend Interpretierende, die drei Anderen strichen stehend. Die gesamte Vierer-Einheit spielte auswendig, wie heutige Jazz- und Popbandmusiker. Denn als solche verstehen sich die hier besagten Rebellen. Übrigens alle zwischen 1990 und 1994 geboren. Kaputtmachen wollen die gar nichts, aber der Erstarrung vorbeugen und nötigenfalls entreißen. Solches war auch ihrem Habit anzusehen: klassisch schlichtes Schwarz.
Schuberts berühmtes Werk über den Tod – konnte das rebellisch funktionieren? Ja! Der erste Satz mit den zerreißenden Linien und der immer wieder aufscheinenden, unzerstörbaren Vision einer besseren Welt (nicht der Vision, die laut Kanzler Helmut Schmidt den Gang zum Arzt erfordert). Diese Musik vollendeter Einfachheit, nicht der Simplizität (wie in dieser Zeitung schon mal gesagt wurde), wird überall verstanden; denn nur das natürlich Einfache ist genial, allerdings das schwerste und nicht im strikten Willensakt zu erschaffende, sondern aus der Intuition zu erlösende Werk. Nach dieser Einleitung nun das unentrinnbare tragische Ende eines jeden Lebens, hier musikalisch dargestellt nach Matthias Claudius‘ sprachlich genial einfachem Gedicht „Der Tod und das Mädchen“. Wie die vier jungen Leute das nahebrachten: Es konnte einen zerreißen. Das junge Mädchen will nicht, fühlt aber instinktiv, dass es sein muss, und der Tod tröstet: Ich bin sanft, vertr aue mir. Und eine hohe Süße durchweht die Partitur. Darin die rationale, Leben erhaltende Denkstruktur mit der im Scherzo aufstrahlenden, ewig wirkenden Lebensmelodie durchzuzeichnen, war allein schon eine Meisterleistung nachschaffender Kunst. Die vier Rebellen konnten das. Wow! Gott sei Dank ging’s in die Pause.
Ein paar Sitze waren leer geworden. Der Akt „Neues Spielen – Neues Hören“ begann. Unter den vom Leben stärker Durchrüttelten: So neu konnte es gar nicht sein. In der Bibel, dieser Lebensbeispielesammlung, kommt es in vielen Variationen vor, zum Beispiel im Leben von Adam und Eva. Es kommt in jeder Religion vor. Die Menschen haben fantastische Anlagen, aber sie sind sehr störanfällig, nur in der Lage, das Wesentliche je nach eigenem Vermögen zu ahnen. Dazu bedarf es keiner wissenschaftlichen Bildung, nur der geistigen Wachheit; Bildung freilich kann eher die Worte der Verständigung bereitstellen, muss aber nicht. Unsere nur scheinbar so schrägen Gesellen auf der Bühne konnten auch das, denn sie beherrschen die handwerklichen Grundlagen, die Virtuosität, womit hier aber nicht der auf Knopfdruck abrufbare mechanische Drill gemeint ist. Hier wurde es spürbar in jedem Takt neu in Gang gesetzt.
Nach alter Tradition von älteren musikalischen Texten angestoßen entwickelte unser Team auf der Bühne seine brandheutige Jazz-Pop-Rock-Vorstellung. Mit Bühnennebel, Lichteffekten, klanglich verschrägenden kleinen Zusatz-Apparaten, manchmal bis an den Rand des intellektuell vertretbaren, stets hellwach kontrollierten überdrehten Komik. Abermals Wow! Natürlich Gershwin, und andere Komponisten aus der amerikanischen „Neuen Welt“ waren Stichwortgeber. Einiges war authentisch von unseren Vier dabei: die Geschichte vom feinen Gesang der vielen kleinen Vögel auf der Stromleitung, bis „so ein dicker, fetter Vogel sich dazwischen drängt“ – wir alle wussten, wie die Geschichte weitergeht. Kurz: Unsere Vier fochten mit dem Säbel. Das Fechten mit dem Florett werden sie lernen, aus schmerzender Direktheit wird dann genüsslich pieksende Ironie des Florretts werden; danach, sie hätten das Zeug dazu: verständnisvolle, leider auch zumindest leicht resignierende Weisheit. Nach mehreren Zugaben: „Try to remember“ fürs Publikum. Das sei den mutigen Rebellen auch gewünscht, in der möglichen Übersetzung: „Versucht zu beherzigen“.

NRZ-11.12.2017, Wesel
Magische Klänge im Bühnenhaus
Das Streichensemble Auryn Quartett begeisterte mit Tiefgang und auch mit viel Gefühl

Dieter Krüssmann

Das dritte Konzert des Städtischen Musikvereins Wesel bestritt ein Streichquartett erster Klasse: Auryn – der Name stammt von einem magischen Amulett aus Michael Endes Roman „Die unendliche Geschichte“. „Tu was du willst“, stand auf der Rückseite dieses Schmuckstücks, das gab dem Streichquartett eine besondere Inspiration.
Tief versunken
Die vier Musiker Andreas Arndt (Cello), Stewart Eaton (Viola), Matthias Lingenfelder und Jens Oppermann (Violine) haben sich entschlossen, unter dem Namen Auryn-Quartett zu musizieren. Mittlerweile sind schon 36 Jahre daraus geworden. Ihre Erfahrungen geben die Künstler, Professoren an der Detmolder Musikhochschule, weiter.
„Letzte Streichquartette“ lautete das Programm an diesem Abend. Zu Gehör kamen Felix Mendelssohn-Bartholdys Streichquartett Nr. 6 f-Moll op. 80 mit den Sätzen Allegro vivace assai – Presto, Allegro assai, Adagio und dem Finale Allegro molto. Bei den letzten Sätzen spürte man die Trauer des Komponisten um seine geliebte Schwester Fanny. Die Musiker spielten, tief versunken und sehr intensiv, die Verzweiflung deutlich heraus. Das Stück war eine Art Requiem auf Fanny, gleichzeitig aber auch sein eigenes, denn kurze Zeit später starb der Komponist im Jahre 1847.
Den krassen Kontrast gab es beim anschließenden Streichquartett e-Moll op. 121 von Gabriel Faurè (1845 – 1924), das die drei Sätze Allegro moderato, Andante und Allegro enthielt. Faurè war kein Komponist für die große Masse. Er wollte einst gar kein Streichquartett schreiben. Sein feiner musikalischer Ausdruck, seine gewählten Strukturen und Harmonien machten es dem Publikum teilweise nicht ganz leicht, sein Werk zu verstehen. Dennoch – seine Musik klingt einfach, ist vorzüglich ausgearbeitet und sehr einfallsreich. Zum dritten Programmpunkt wählte Auryn das Streichquartett As-Dur, op. 105 von Antonin Dvoràk (1841 – 1904), eigentlich ein amerikanisches Abschiedslied, denn der Komponist schrieb den ersten Satz noch in Amerika, vollendete aber sein Werk in seiner Heimat Prag. Mit viel Gefühl wurde diese Komposition gespielt. Dvoràk setzte gern versteckte, kleine Gegenmelodien zum Hauptthema, ging aber nie so weit, dass die Klarheit seiner Musik darunter litt. Das Auryn-Quartett spielte voller Hingabe dieses Werk und bekam genau so viel Beifall wie bei den anderen Stücken.
Schließlich entschieden sich die vier Musiker zu einer Zugabe. Ein Tango von Igor Strawinsky rundete einen zauberhaften Abend ab. Die Musik hatte etwas Magisches.
Am Morgen hatten die vier Instrumentalisten bereits das Konrad-Duden-Gymnasium besucht und vor rund 100 Schülern Stücke aus ihrem Repertoire gespielt und sich den Fragen der Schüler gestellt.

RP-12.12.2017, Wesel
Auryn-Quartett – Eine Begegnung mit Kunst

Hanne Buschmann

Im Bühnenhaus musizierte jetzt das weltberühmte Auryn-Quartett aus Detmold. So lebendig und lebensfroh, so schlackenfrei und respektvoll jedem kompositorischen Werk und dem Geist seines Urhebers verpflichtet, so auf der Harmonie des Ensembles sowie auf der nachschöpferischen Begabung jedes einzelnen Instrumentalisten vertrauend, das haben die Weseler Konzertbesucher lange nicht erlebt. Ähnliches war zu bewundern bei der Kammermusik eines Streicherensembles der Berliner Philharmoniker vor Jahrzehnten beim Auftritt des Beaux Art Quartetts aus New York.

Christoph Oehmen, Cello-Lehrer an Wesels Musikschule, hat die vier Detmolder Hochschulprofessoren noch als junge Musiker erlebt. „Da zeichnete sich deren Weg schon ab“, sagte er. Detmold, auch Dortmund, wo einer der Streicher zeitweise lehrt, sind positiv bodenständige westfälische Kultur-Standorte, oberflächlichem Schnick-Schnack abhold, deswegen auch regelmäßig nach Montepulciano eingeladen.

Nun in Wesel: kein übliches Weihnachts-Festkonzert, sondern Musik, die vom Leben der Menschen, den Höhen und Tiefen und vom unbegreiflichen Tod erzählten. So gut, dass es verstanden wurde. Es blieb nämlich die Essenz in der Schwebe. Kurz: eine Begegnung mit Kunst.

Eine einprägsame Einführung gab Cellist Andreas Arndt: „Sie hören drei letzte Stücke. Mendelssohn schrieb sein Quartett als Antwort auf den Tod seiner Schwester, er selbst starb auch einige Monate später. Fauré, der nie Quartette komponieren wollte, schuf dann doch sein Werk e-Moll, op. 121, zwei Wochen später starb er. Dvorak legte all seine Freude über seinen Erfolg und sein neues Weltbild in sein As-Dur-Quartett, op. 105, darin auch das Glück über die Heimkehr nach Böhmen aufklingt. Sein letztes Streichquartett, 1895 beendet, aber nicht sein letztes Werk.

Dann betraten die Akteure völlig unprätentiös die Bühne: der erste Geiger Matthias Lingenfelder, der zweite Geiger Jens Oppermann, Bratschist Stewart Eaton und Arndt. Und sie spielten mit der ungebrochenen Kraft geistiger Durchdringung eines Werkes von Grund auf mit offenbar herausragender intellektueller Ausstattung und schlichter Natürlichkeit. Nicht das Perfekte, denn solches ist tot, ohne Zukunft; die Sprache der Klänge von Mensch zu Mensch erfüllte den Raum und die Hörer. Technik ist nur Dienerin. Mendelssohns Streichquartett Nr. 6 gibt im Finale einen Ausblick ins unergründliche Leben des Alls. Faurés Fazit, weitgehend auf dem Cello gezupft, unterschlägt nicht einige dissonante Töne des Lebens. Dvoraks Stück schließlich ist von dankbarer Heiterkeit erhellt.

Schier endloser Applaus und Strawinskys „Tango“ als Dank.

NRZ u. RP-14.11.2017, Wesel
Kammermusik auf Weltklasse-Niveau
Das Azahar-Ensemble aus Spanien bot Meisterhaftes im Städtischen Bühnenhaus.

Das preisgekrönte Bläserquintett Azahar Ensemble aus Spanien gastierte im Städtischen Bühnenhaus. Von Dieter Krüssmann

„Dufte“ Musik, im wahrsten Sinne des Wortes, erklang im Städtischen Bühnenhaus. Zum zweiten Kammermusik-Konzert hatte der Städtische Musikverein Wesel eingeladen. Zu Gast war ein meisterhaftes Bläserquintett aus Spanien mit dem Namen Azahar Ensemble.
Azahar bezeichnet im Arabischen den aromatischen Duft der weißen Blüten von Zitrusbäumen, insbesondere des Orangenbaumes – und der passte perfekt zu dieser Gruppe. Frisch, frech, ja nahezu leidenschaftlich und immer mit tänzerischem Körperausdruck spielten die fünf Musiker. Maria José Garcia Zamora (Fagott), Frederic Sánchez Munoz (Querflöte), Maria Alba Carmona Tobella (Oboe), Miquel Ramos Salvadó (Klarinette) und Antonio Lagares Abeal (Horn) heißen die Musiker, die sich 2010 aus dem spanischen Nationalen Jugendorchester Jonde als Ensemble zusammenschlossen. Viele Preise und Ehrungen haben diese Musiker für ihre großartigen Darbietungen erhalten. Und das, so kann man es wohl bezeichnen, verdientermaßen. Davon konnte sich das Publikum überzeugen. Leider waren die Reihen im Bühnenhaus nur spärlich besetzt.

Das Publikum staunte über die Präsentation und lauschte konzentriert ausgefallenen Kompositionen. Jeder Musiker war ganz bei sich, spielte äußerst konzentriert auf seinem Instrument. Zum Auftakt gab es das Bläserquintett D-Dur op. 91 Nr. 3 mit vier verschiedenen Sätzen von Anton Reicha (1770-1836) zu hören. Hier allein schon konnte man erkennen, wie gut die fünf Bläser zusammenspielten. Eine ganz außergewöhnliche Kunst waren György Ligetis (1923-2006) zehn (kurze) Stücke für Bläserquintett. Ligeti, Sohn einer Augenärztin und eines Bankfachmanns, war eigentlich Organist und hatte Physik und Mathematik studiert. Hätte da nicht die Solistin auf der Oboe einige Erläuterungen zur Musik ergänzt, wäre diese überhaupt nicht verstanden worden. Bei den Stücken gab es keine typischen Harmonien. Hier standen Überraschungseffekte im Vordergrund. Es stellte sich manchmal die Frage: Kann man dies noch als Musik bezeichnen oder sind es einfach nur Effekte? Denn das Finale enthielt ohrenbetäubenden Lärm. Das war schon äußerst gewöhnungsbedürftig. Wolfgang Amadeus Mozarts Komposition Andante in F-Dur aus dem Köchelverzeichnis 616 „für eine Walz in eine kleine Orgel“ – in einem besonderen Arrangement von Ulf-Guido Schäfer – war dagegen wieder ein wunderbarer Hörgenuss.
Schließlich ertönte zum Schluss noch eine Komposition von Carl Nielsen (1865-1931) in drei Sätzen. Es war das einzige bedeutende Kammermusik-Werk für Bläser, das der „dänische Strauss“, im Herbst des Jahres 1921 komponierte.

NRZ u. RP-23.10.2017, Wesel
Großartige Werke zum Thema Reformation

Im Bühnenhaus wurde die neue Konzertsaison mit der Neuen Philharmonie Westfalen eröffnet
Dieter Krüssmann

Die neue Konzertsaison 2017/18 hat begonnen. Der Städtische Musikverein Wesel hat in Zusammenarbeit mit der Stadt Wesel ein Konzert organisiert, das unter dem Motto „Reformation“ stand. Anlässlich des Reformationsjubiläums spielte im 1. Abonnementkonzert die Neue Philharmonie Westfalen. Keine Frage – dieses Ausnahmeorchester bedarf keiner erneuten Vorstellung. Am Dirigentenpult stand Patrik Ringborg, ein gefragter Orchesterleiter.
Etwas ungewöhnlich war dieses Konzert schon. Kantaten in einem Sinfoniekonzert. Das hat man nicht alle Tage. Und so begann der klassische Abend zunächst mit Johann Sebastian Bachs Solo-Kantate „Ich habe genug“ aus dem Bachwerkeverzeichnis 82. Wäre Luther nicht gewesen, so hätte es wohl niemals solch eine Musik gegeben. Das „kleine Orchester“ begleitete den Bariton Thomas Laske. Mit seiner markanten Stimme trug er gleich drei Arien („Ich habe genug“, „Schlummert ein“ und „Ich freue mich auf den Tod“) – alle mit sehr nachdenklichen Texten – vor, ziemlich ausdrucksvoll. Und das war neu: Vor dem musikalischen Ereignis wurde das Publikum im Foyer über die jeweiligen Werke informiert.
An zweiter Stelle stand die Sinfonie „Mathis der Maler“ von Paul Hindemith (1895 – 1963) auf dem Programm. Es war eine tönende Annäherung mit tollen Motiven und Harmonien an den Isenheimer Altar, den der Maler Matthias Grünewald kurz vor Luthers Thesenanschlag vollendete. Im Schlusssatz beispielsweise kam viel Bewegung ins Spiel – galoppierende Rhythmen, aufgesetzte Triller sowie festliche Freudenrufe der Blechbläser.
Den dritten – wohl schönsten Höhepunkt des Abends – bildete die Sinfonie Nr. 5 D-Dur von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847), besser bekannt auch als „Reformations-Sinfonie“, die er zum 300. Geburtstag der Augsburger Konfession komponierte. Nach den drei Sätzen Andante – Allegro con fuoco, Allegro vivace und einem weiteren noch ruhigeren Andante fügte der Komponist als krönenden Abschluss den Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“, das sogenannte Kampflied, in seinem Werk, was mit zärtlichen Flötentönen begann und sich immer festlicher und voluminöser zu einem grandiosen Finale steigerte. Das Publikum war von dieser Aufführung begeistert und spendete viel Applaus für das großartige Eröffnungskonzert.

RP-8.8.2017, Wesel
Virtuoser Abschluss des Klaviersommers

Mit romantischer Klaviermusik endete in der Aula der Musik- und Kunstschule der Weseler Klaviersommer. Im zu etwa zwei Dritteln besetzten Saal war der 22-jährige russische Pianist Konstantin Khachikyan zu Gast, der Werke von Liszt, Schumann und Rachmaninow auf dem Programm hatte.
Das Konzert begann mit Liszts Spanischer Rhapsodie, einem anspruchsvollen Stück, das nach einer virtuosen Einleitung Variationen über die bekannte spanische Melodie La folia und den Volkstanz Jota aragonese enthält. Khachikyan, der am renommierten Tschaikowski-Konservatorium in Moskau studiert, bewältigte das mit tänzerischer Eleganz. Es folgte Carnaval op. 9 von Robert Schumann. Schon die Titel der Charakterstücke machen den Zuhörer neugierig: Neben Figuren aus der Commedia dell’arte erscheinen Komponistennamen wie Chopin und Paganini und Menschen aus dem Umfeld Schumanns wie Chiarina (Ehefrau Clara) sowie zentrale Figuren aus Schumanns Gedankenwelt. Es gelang Khachikyan, die unterschiedlichen Charaktere der Stücke virtuos und poetisch nachzuempfinden. Der abschließende „Marsch der Davidsbündler gegen die Philister“ geriet als stürmisches Finale des ersten Teils. Nach der Pause setzte Khachikyan das Konzert mit den Preludes op. 23 von Sergei Rachmaninow fort. Dem jungen Pianisten, der auf seiner ersten Deutschlandtournee ist, gelang es, den Spannungsbogen des Zyklus mit souveräner Technik nachzuzeichnen. Das Publikum erklatschte sich zum Abschluss zwei Zugaben.
(cbr)

NRZ-19.5.2017, Wesel
Virtuoses Spiel am Flügel
Zum Abschluss der Konzertsaison gastierten die Neue Philharmonie Westfalen und der Starpianist Martin Stadtfeld im Bühnenhaus. Sie erhielten viel Applaus

Michael Mrosek

Dieser Konzertabend im Bühnenhaus mit der Neuen Philharmonie Westfalen protzte mit vollen Klängen, leisen Tönen, dramatischen Passagen, emotionalen und spielerischen Phrasen, natürlich auch viel Applaus, vor allem jedoch mit dem virtuosen Tastenspiel von Martin Stadtfeld, der am großen Konzertflügel die vielschichtigen Dimensionen von Mozarts Musik hör- und erlebbar werden ließ.
Der Städtische Musikverein Wesel schloss mit diesem Gastspiel gleichzeitig seine Konzertsaison 2016/17 ab und präsentierte mit Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) und Joseph Haydn (1732 – 1809) zwei große musikalische Meister. Überschrieben hatte man das Konzert und die Werkfolge des Abends mit „Nicht von dieser Welt“.
Sicherlich gilt das für das jeweilige kompositorische Talent, das wie nicht von dieser Welt erscheinen mag. Wohl auch ist aber die tiefe emotionale Ansprache der menschlichen Gefühle damit gemeint. Virtuos, präzise, wohldosiert und mit stets wohligem Schauer auf dem Rücken lauschten die Konzertfans dem international bekannten Pianisten Martin Stadtfeld, der die Töne zu einem Hörerlebnis werden ließ.
Harmonisches Zusammenspiel
Das Zusammenspiel des Orchesters mit Pianist Stadtfeld wurde von Generalmusikdirektor Rasmus Baumann dirigiert. Die über 30 Instrumentalisten boten ein harmonisches Spiel. Mozarts Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 A-Dur (KV 488) führte im Allegro heiter, hell den ersten Satz an. Noch gefangen von den raumgreifenden Harmonien querte der zweite Satz mit melancholischen und eher trüben Klängen das Werk, dessen Klang an dieser Stelle oft als weltentrückt beschrieben wird.
Auch eine vorausahnende emotionale Stärke, wie sie für die Romantik typisch ist, wird dem zweiten Satz von Musikliebhabern bescheinigt. Den Abschluss im dritten Satz, dem Allegro assai, erlebt man wieder spielerisch, heiter, ja fast launisch, überschwänglich. Da zeigte sich Mozarts Achterbahnfahrt auf der Klaviatur, in den Notenzeilen und wie sein eigenes Leben geprägt war von „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ so ist es auch seine Musik.
Voluminös und ergreifend
Joseph Haydns Sinfonie Nr. 2 C-Dur eröffnete den Abend. Seinen Abschluss fand er ebenfalls mit ihm und seiner „Oxford-Sinfonie“, die bei Haydns Ernennung zum Ehrendoktor an der Universität Oxford erklungen sein soll. Prächtig, voll, voluminös, ergreifend ob der feinen Pausen und frisch war nicht nur die Sinfonie. Es präsentierte sich mit Haydns Werken auch die mit vielen jungen Musikern besetzte Neue Philharmonie Westfalen dem Weseler Publikum.
Und natürlich gab es auch eine kleine Zugabe. Pianist Martin Stadtfeld schlüpfte vor der Pause in die Rolle des achtjährigen Mozarts und spielte ein resches Ständchen als Dank für langanhaltenden Applaus, der ihn drei Mal vor das Publikum rief.

RP-19.5.2017, Wesel
Neue Philharmonie Westfalen begeistert im Bühnenhaus
Das Orchester spielte mit Pianist Martin Stadtfeld in Wesel. Ein Abend, bei dem man sich innerlich verneigen mochte.

Von Hanne Buschmann

Damit es nicht im Alltag untergeht: Was die Zusammenarbeit zwischen Stadt, Städtischem Musikverein und Musikschule anbietet an Konzerten, hat zumindest in einigen Höhepunkten den außergewöhnlichen Rang eines Großstadtprogramms. Mittwochabend im Bühnenhaus zum Beispiel der Auftritt des weltweit gerühmten deutschen Pianisten Martin Stadtfeld: Nur wenige Besucher mehr als die Stammhörer und eine Gruppe Musikschüler mit ihrem Lehrer Georg Mersmann waren gekommen. Haydn und Mozart standen auf dem Programm, also Beginn und schon einsame Höhe der Klassik. Die neue Philharmonie Westfalen, die unter Generalmusikdirektor Rasmus Baumann eine sehr gute Fortentwicklung genommen hat, stimmte auf das Klang-Geschehen mit Haydns Sinfonie Nr. 2 C-Dur Hob I:2 ein. Die stammt zwar aus der frühen sinfonischen Arbeitsphase des Komponisten, mit der er aber erst begann nach seinem fünften Lebensjahrzehnt. Da war er nicht mehr streng gebunden an die Wünsche der herrschenden Aristokratie. Doch die unaufdringliche Eleganz jenes Stils behielt er bei in seinen zeitlos schlichten, allgemein verständlichen Kunstformen. Was zudem bedeutet, langweilig wird’s bei ihm nicht. Nach dem heiteren Allegro des ersten Satzes schwangen im folgenden Andante schon Fragen an das Leben mit, und dieses meldete sich dann keck im Presto des Finales.
Der Deckel des bereit stehenden Konzertflügels wurde geöffnet. Mit dem Dirigenten betrat der junge Pianist die Bühne. Schmiegsam leicht schwebten sodann die ersten Orchesterklänge auf, ebenso berückend begann das Klavier. Ein Anschlag, der staunen ließ: federnd wie Schwirrflug, raumergreifend wie Strahlen. Die Töne perlten, jeder einzelne klar für sich und doch eingebunden ins Ganze der Melodie. Martin Stadtfeld spielte, als ob das gar nichts wäre. Aber dahin zu kommen, bedeutet harte Arbeit dank eines Fundamentes von Begabung. Wenn Analyse und Einfühlung hinzukommen, entsteht vor den Hörern eine Interpretation, die Kunst genannt werden darf. So im Bühnenhaus.
Die Hörer wurden konfrontiert mit der unterschwelligen Tragik des Menschen Mozart – mit der Tragik des Menschseins überhaupt: Freude, Glück erwächst nur angesichts des Gegenbildes von Schmerz und Leid. Mozart hat diese unausweichliche Naturgegebenheit in reinen Wohllaut verwandelt. Im Andante, dem Dialog mit dem Orchester, tastete sich das Klavier in das melancholische Dunkel des Lebens vor, bekam Antworten von einzelnen Instrumenten oder vom gesamten Orchester. Im abschließenden Allegro assai besang das Klavier beseelt das Leben. Großer Applaus, Zugabe: ein hinreißendes Stück des achtjährigen Mozart, des ungestüm umhertollenden Kindes. Unvergesslich.
Aber auch, wie das sensible Klavierspiel das Orchester beflügelt hatte. Haydns „Oxford-Sinfonie“, das Werk Nr. 92 G-Dur Hob I:92, ist der Dank des Komponisten für die Verleihung des Ehrendoktor-Titels. Die Weisheit eines mit heiterer Geduld durchlebten Daseins leuchtete auf, natürlich auch die Pracht des Kosmos, darein das Nachsinnen geflochten war. Da musste man sich innerlich verneigen.

RP-6.3.2017, Wesel
Gekonnt klare Klangreden der Führer durch den Barock

Von Hanne Buschmann

Die französische Barockmusik am Freitagabend im Bühnenhaus wurde zum Fest kammermusikalischer Kostbarkeiten. Klangfrische, Esprit, feine Melodik, dargeboten mit gelebter Ästhetik, entzückte. Das Cicerone Ensemble – der Name „Cicerone“ nach dem Begriff des kundigen Fremdenführers – überzeugte in jeder Hinsicht. An der melodieführenden Traversflöte Thomas Wormitt, diese lange, schlanke Feder, musizierte stehend, dabei die Klanglinien fast tänzerisch darstellend. Adrian Cygan, Barockcello, beseelte seinen bronzen tönenden Part. Am Cembalo, dem Basso-continuo-Instrument (B.c.), entwickelte Andreas Gilger mit seiner linken Hand den Bass-Rahmen jeder Komposition, ergänzte mit der rechten gemäß den Ziffern-Vorgaben in der Partitur die Klangrede mit akzentuierenden Akkorden.

Denn um Klangreden handelte es sich, wie zwischen den Stücken meist der Cembalist erklärte: „B.c., der Generalbass, ist ein Prinzip, Barockmusik wurde vom Bass aus komponiert. Eine Rede muss zudem sorgfältig artikuliert werden, damit sie deutlich gehört wird“. Also ziselierten die drei jungen Könner, die sich an der Folkwang-Universität der Künste in Essen kennengelernt haben, jede Zeile klar und beredt.
Zuerst stellten sie Michele Mascittis Sonate g-Moll Op. 6, 15 vor. Den Violin-Part hatten sie für die Flöte bearbeitet. Fließend eilten die fünf Sätze einher. In Michel Blavets Sonate d-Moll „La Vibray“, Op. 2, 2, für Flöte und B.c. flogen delikate Flötentriller in erlesenen Tanzsätzen in das Auditorium. Die Sonate B-Dur 3. Buch Nr. 4 für Violoncello und B.c. überraschte mit knappen Gesprächsfetzen zwischen tiefen Träumen und dem rasenden Cello im Schluss-Allegro. Eine lustvolle Giga wurde von der Flöte zelebriert in Jean-Baptiste Barrières Sonate d-Moll 3. Buch Nr. 2. Jene Instrumenten-Diva (so Gilger) betörte auch im „Trés lentement“ in Pierre Danican Philidors Suite Nr. 5 e-Moll. Mit der Suite G-Dur Op. 2, 1 von Louis-Antoine Dornel schloss das Konzert. – Fast. – Das Rondeau der Zugabe überstrahlte danach alles. Chapeau.

NRZ-15.2.2017, Wesel
Budapester Geheimtipp – Das Kodály Quartett berührte mit seinen Streichern das Publikum im Bühnenhaus. Geheimnissvolle und eindringliche Töne

Von Michael Mrosek

Ein Konzert zum Wochenstart hat oft eine ganz eigene Aura. So auch das bezaubernde Gastspiel des ungarischen Kodály Quartetts aus Budapest im städtischen Bühnenhaus.
Der musikalische Abend war das fünfte Abonnementkonzert des Städtischen Musikvereins Wesel gemeinsam mit der Stadt Wesel in der aktuellen Konzertsaison 2016-2017. Das Konzert des renommierten und weltweit Gastspiele gebenden Ensembles war ein echter Geheimtipp. So erklang zum Konzertauftakt das Streichquartett in B-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart, dank der virtuosen Fingerfertigkeit und Bogenstreicharbeit von vier völlig schwarz gekleideten Männern auf der Bühne im Theatersaal.
Zwischen den Konzertgästen hatte der unmittelbar und natürlich nicht verstärkte Klang des Quartetts viel Raum zur Entfaltung. Der weiß wirkende und somit optischen Kontrast schaffende Bühnenvorhang wurde dabei vom statischen Lichtspiel der Scheinwerfer beleuchtet, die eine Diamantform andeuteten.
Vor und nach der Pause gaben zwei Violinen und eine Viola im Wechsel mit einem Violoncello der Musik Kodálys Ausdruck und Wirkung. Nun standen Attila Falfay, Ferenc Bangó, János Fejérvári und György Éder vor ihren Notenpulten und spielten mit viel Gefühl ihre Instrumente.
Gespannte Stille
Die Klänge aus Zoltán Kodálys Oeuvre wirkten traditionell, zum Teil geheimnisvoll und eindringlich. Einzelne Sequenzen, die auch geeignet wären Soundtrack eines ergreifenden Kinofilms zu sein, zogen in ihren Bann und ließen gespannte Stille im Saal spürbar werden. Der ungarische Komponist Zoltán Kodály (1882 – 1967) wollte Bindeglied zwischen ungarischer Musik/Volksmusik und den Menschen der Welt sein. So versteht das Kodály Quartett schon seit 50 Jahren sein Wirken und seine musikalische Botschaft. „Das Kodály Quartett war 2011 schon einmal Gast in Wesel“, erfuhr man an der Programmausgabe im Theaterfoyer. Und auch diesmal vermochte es zu begeistern.
Jeweils langer, anerkennender Applaus, nach den diversen Sätzen eines kompositorischen Werkes, drückte die Wertschätzung des Publikums für die erbrachte Spielkunst angemessen zum Ausdruck. Die Klänge von Antonin Dvorak (Streichquartett in Es-Dur) rundeten den Konzertabend würdig ab. Die für Dvorak als typisch geltende emotionale Tiefe der Musik rührte auch in Wesel die Menschen an. Nicht minder begeisterte ein Intermezzo für Streichtrio, wiederum aus der Feder von Zoltán Kodály.

RP-15.2.2017, Wesel
Kodály-Quartett leitet die Hörer mit reinsten Tönen durchs Programm

Musik erzählt Geschichten, natürlich jedem Menschen die je eigene Variation. Gerade das ergibt eine Vielfalt. Aber die Interpreten legen mit ihrem Programm eine Linie vor. So auch am Montagabend im Bühnenhaus das ungarische Kodály-Quartett. Es wies auf Europa. Dessen reiche osteuropäische Kultur wurde an Beispielen aus der Musik deutlich. Die vier ungarischen Könner, die seit einiger Zeit in Deutschland leben, wählten als Namenspatron den ungarischen Komponisten Zoltán Kodály.

Von Hanne Buschmann

Klug begannen sie mit dem genialen Mozart, dem geistige Leichtigkeit eigen war und der damit irdische Tragik erträglich machte. Er wirkte in einer Schnittebene zwischen West und Ost im eurasischen Kontinent. Sein Streichquartett in B-Dur, KV 589, leuchtete wunderbar. Attila Falvay (1. Violine), Ferenc Bangó (2. Violine), János Fejérvári (Viola) und György Éder (Violoncello) holten gleicherweise jeden Ton einzeln und als Teil des gesamten Klang-Gewebes ins Leben: Dies gelang im strahlenden Allegro wie im von tiefen Tönen der Bratsche und des Cellos eingeführten Larghetto, das seine Höhe mit dem beseelten Gesang der ersten Geige erreichte; ebenso beeindruckte es im melodisch vielfältigen Menuetto, zuletzt im tanzenden, kreisenden Rondo des finalen Allegro assai. Darin kündigte ein kraftvoller Akzent jeweils den Refrain an.
Mozarts Unbekümmertheit leitete über zu Kodálys Serenade op. 12 für zwei Violinen und Violoncello. Stehend spielten die Streicher diese Musik, in der sich Bodenständigkeit und die Freiheit der Steppe ausdrückten. Einem lockeren Marsch folgte im Lento-Satz der sehnende Solo-Gesang der ersten Geige, im finalen Vivo das stets junge Erobern der Welt, der Zeit und der Liebe – überall vertraute fremde Klänge.
Als Widerhall durchwehten sie auch Kodálys Intermezzo für Violine, Viola und Violoncello. Das gezupfte Cello verklanglichte den Pulsschlag der lebensstarken Weite der Steppe. Davon sang schon Dvorak (1841-1904) in seinem Streichquartett in Es-Dur, op. 51. Blanke Freude sprang auf im Allegro des ersten Satzes, slawische Melancholie prägte die volkstümliche Erzählung der Dumka, die sich schließlich in einem farbensprühenden Tanz erlöste. Die lyrische Romanza wurde vom stürmischen Allegro assai hinweggefegt. Nach der zweiten Zugabe, einer Polka von Schostakowitsch, endeten Konzert und Applaus der Hörer.

NRZ-16.1.2017, Wesel
Musikalischer Ausflug in Südstaaten
Neue Philharmonie Westfalen und überragender Solist begeistern im Bühnenhaus

Von Dieter Krüssmann

Die Neue Philharmonie Westfalen entführte die Zuhörer in die Südstaaten.
Zum zweiten Orchester-Konzert der Saison hatte der Städtische Musikverein Wesel ins Bühnenhaus eingeladen. Die Neue Philharmonie Westfalen, welche von Generalmusikdirektor Rasmus Baumann dirigiert wird, ist den Weselern schon seit elf Jahren bekannt. Wie bei jedem großen Konzert war auch dieses Mal wieder ein hervorragender Solist dabei. Rasmus Baumann hatte den Star-Trompeter Reinhold Friedrich, der auch mit dem Konzert begann, mitgebracht. Der Hochschullehrer an der Staatlichen Hochschule für Musik in Karlsruhe und Honorarprofessor an der Royal Academy of Music in London spielte das „Konzert für Trompete in C und Orchester“ mit dem Titel „Nobody knows the trouble I see“ von Bernd Alois Zimmermann (1918 – 1970) – ein besonderes Spektakel.
Das Spiritual war während der Rassenunruhen in den USA entstanden. Hierbei versuchte der Komponist drei musikhistorisch und stilistisch voneinander abweichende musikalische Gestaltungsprinzipien miteinander zu verschmelzen. Das Werk mit nur einem Satz begann langsam mit den Klängen der Trompete, die dann im späteren Verlauf rhythmisch swingend mit kadenzhaften Einschüben sich steigerte. Diese besondere Art von Musik wurde bewusst an den Anfang gesetzt, da sie sehr schwierig zu verstehen ist. Reinhold Friedrich verstand es aber, mit seinem Instrument auf wunderbare Weise das Stück zu interpretieren. Nicht umsonst erhielt er für die CD-Einspielung den begehrten „Echo“-Preis.
Einen Großteil des Konzerts widmete die Neue Philharmonie Westfalen aber George Gershwin, einem der populärsten Komponisten der USA. Dieser träumte immer schon vom Süden, als er seine Volks-Oper „Porgy and Bess“ komponierte. Er – ein Sohn russisch-jüdischer Einwanderer – gehörte zu den ersten Komponisten, die Elemente der Konzert-Saal-Musik, des Jazz und des Broadway-Songs miteinander verband. Seine „Suite aus Porgy and Bess“ mit gleich neun Sätzen, von denen „Summertime“ wohl die bekannteste Version ist, war äußerst hörenswert und schon ein Höhepunkt.
Mit Morton Golds (1913 – 1996) „American Salute“ begann der zweite Teil. Das Stück basiert auf der patriotischen Melodie „When Comes Marching Home Again“ und wurde 1943 geschrieben. Es war zweifelsohne mit nur fünf Minuten das kürzeste Stück an diesem Abend.
Tief in den Wilden Westen
Tief in den Wilden Westen führte dann noch Ferde Grofés „Grand Canyon Suite“. Fünf wunderbare Sätze hatte diese Komposition und die sagten viel aus: Sunrise (Sonnenaufgang), The painted desert (Wüste), On the trail (auf Spurensuche), Sunset (Sonnenuntergang) und Cloudburst (Wolkenbruch) ließen die wundervolle Pracht des Naturschauspiels und Wunders in den USA erkennen. Die Musiker konnten hier einmal ihre Spielfreudigkeit beweisen. Schön wäre es gewesen, wenn vielleicht im Hintergrund auf einer Leinwand diese wunderbare Landschaft in einem Rundflug gezeigt worden wäre. Aber auch so war das Konzert wieder eine unterhaltsame Veranstaltung, die mit großem Beifall belohnt wurde.

RP-16.1.2017, Wesel
Musikalische Reise in die Südstaaten

Die Suite aus „Porgy and Bess“ stand im Zentrum des Konzerts der Neuen Philharmonie Westfalen im Bühnenhaus.

Von Hanne Buschmann

„Südstaaten“, dieser Titel des Konzertprogramms der Neuen Philharmonie Westfalen lockte viele Besucher am Freitagabend in das Städtische Bühnenhaus. Fast voll besetzt war es. Das freute nicht nur die Stadt und den Städtischen Musikverein als Veranstalter, es freute offensichtlich alle Anwesenden. Überhaupt ist es eine gute Idee von der NPW, Programme jeweils aus einem Leitgedanken zu entwickeln.
Hier also „Südstaaten“, was vom schwierigen Überleben der armen Bevölkerungsschicht handelt, das zudem von Vorurteilen über ihre Herkunft belastet ist. In George Gershwins berühmter Oper „Porgy and Bess“ spielt es zumindest unterschwellig mit. Jedenfalls hat der Komponist die musikalischen Ausdrucksformen der schwarzen Bevölkerung ernst genommen und wesentliche Teile davon in seine Musik übernommen. Die Suite aus „Porgy and Bess“ stand denn auch im Zentrum des Konzerts.

Dieses begann mit Bernd Alois Zimmermanns 1954 komponierten Konzerts für Trompete und Orchester C-Dur „Nobody Knows The Trouble I See“. Es ist ein einziger Aufschrei gegen Willkür und Unterdrückung und erinnert an die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Der namhafte Trompeter Reinhold Friedrich brachte die Bedrohung freiheitlich gesinnter Menschen schmerzlich nahe mit ersten langen, einsamen Tönen seelischen Leids, mit starken, oft gewaltsam verzerrten Tonlinien unsäglicher Pein, durch die aber immer wieder Stimmen der Hoffnung drangen.
Diese leiteten über zu Gershwins musikalischen Erzählungen über das karge Leben der benachteiligten Schwarzen in einer südamerikanischen Küstenstadt. Die bittersüße Melancholie des Wiegenliedes „Summertime“ charakterisierte die gesamte Suite, mochte auch die aufgedrehte schnoddrige Leichtigkeit mancher anderen Gesänge den Dirigenten Rasmus Baumann gelegentlich zu tänzelnden Bewegungen hinter seinem Pult animieren. Berührend Porgys stolze Lieder von der Freiheit eines Habenichts und dem Glück, die Liebe der heimlich angebeteten Bess errungen zu haben. Mit strenger Bogenführung vergegenwärtigten besonders die Streicher den Hurrikane. Versöhnlich klang’s im Finale, in Porgys Gebet „O Lord, I’m On My Way“.
Ein lebensfroher Rhythmus durchpulste Morton Golds „American Salute“. In Ferde Grofés „Grand Canyon Suite“ verströmte sich das farbige Klangfest sinnlicher Erfahrungen während eines Aufenthalts in jenem Naturwunder: die zarte Röte des aufschimmernden Frühlichts, das überwältigende natürliche Gemälde der Wüste, der rasche Ritt durch die fliehende Landschaft, der lastende Sonnenuntergang vor dem schrillen Wolkenbruch, der schließlich Erleichterung schenkt.
Sehr langer, begeisterter Applaus belohnte die engagiert spielenden Musiker.

RP- und NRZ-28.11.2016, Wesel
Russische Legenden erklingen im Bühnenhaus – Kompositionen russischer Meister

Das Weseler Publikum im Bühnenhaus bedankte sich bei den Duisburger Philharmonikern mit viel Beifall für ein Konzert der Extraklasse. Gastgeber war der Städtische Musikverein.

Von Dieter Krüssmann

Wenn man von russischen Komponisten-Legenden spricht, denkt man sofort an die drei populärsten Komponisten aus dem östlichsten Teil Europas. Die Rede ist von Peter Tschaikowsky (1840-1893), Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) und Nikolai Rimsky-Korsakow (1844-1908). Auf Einladung des Städtischen Musikvereins Wesel waren wieder einmal die Duisburger Philharmoniker zu Gast. Unter der musikalischen Leitung von Aziz Shokhakimov gab es ein Konzert der Extraklasse mit Kompositionen dieser Legenden zu hören.
Mit dabei war die russische Cellistin Tatjana Vassiljeva am Violoncello. Die im russischen Novosibirsk geborene Musikerin begann ihr Cello-Studium bereits mit sechs Jahren. An diesem Abend zeichnete sie sich besonders durch ihre perfekte Technik und unglaubliche Klangfülle aus. Nicht umsonst wurde sie mehrfach ausgezeichnet und gilt als eine der führenden Cellistinnen unserer Zeit.

Drei Schwerpunkte hatte sich der Kapellmeister an der Deutschen Oper am Rhein für den Abend ausgesucht. Der Dirigent aus Usbekistan präsentierte als erstes die Suite aus der Oper „Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch“ von Nikolai Rimsky-Korsakow. Im Westen galten die märchenhaften Opern des Russen als schwer vermittelbar, im Laufe der Zeit wurden sie aber immer populärer. Das Orchester bot eine farbenreiche Idylle, fein säuberlich und vielschichtig und mit einer wunderbar dezenten exotischen Note. Das Stück war in vier Sätze eingeteilt und enthielt neben dem Vorspiel „Lob der Einsamkeit“ einen festlichen Hochzeitsmarsch sowie – unverkennbar hörbar – ein Schlachtengetümmel. Zudem kam das „selige Ende der Jungfrau Fewronia“ zum musikalischen Ausdruck.
Ein Highlight des Abends war der Auftritt von Tatjana Vassiljeva mit ihrem Violoncello. Die Musikerin spielte die Variationen über ein Rokoko-Thema für Violoncello und Orchester vom bekanntesten aller russischen Komponisten, Peter Tschaikowsky. Das Werk enthielt gleich sieben Sätze, angefangen vom Tempo della Thema bis hin zum Allegro vivo. Mit voller Leidenschaft und Hingabe prägte die Musikerin diese Musik. Für diese hervorragende Darbietung gab es vom Publikum Bravo-Rufe und langanhaltenden Beifall.
Schließlich gab es die 5. Sinfonie d-Moll op. 47 von Dmitri Schostakowitsch. Am Ende gab es viel Beifall und Blumen für den Kapellmeister.
Das nächste Konzert im Bühnenhaus findet statt am Freitag, 13. Januar, 20 Uhr. Zu Gast ist die Neue Philharmonie Westfalen. Unter dem Motto „Südstaaten“ gibt es Melodien aus „Porgy und Bess“ von George Gershwin, ein Trompeten-Konzert von Bernd Alois Zimmermann und die „Grand Canyon Suite“ von Ferde Grofé.

NRZ-24.10.2016, Wesel
Drei junge Meister ihres Faches
Auf Einladung des Musikvereins gastierte das Trio Kontra im Städtischen Bühnenhaus

Von Dieter Krüssmann

Der Musikverein Wesel unter Vorsitz von Renate Brützel bemüht sich in jeder Saison, ein breit gefächertes Angebot an ausgefallener und anspruchsvoller Musik für alle Generationen zu präsentieren. Seit nunmehr über 100 Jahren sorgt dieser Verein dafür, dass in Wesel Musik groß geschrieben wird.

Ein ganz besonderes Konzert fand jetzt im Städtischen Bühnenhaus statt. Zu Gast war das Trio Kontra mit Johanna Pichlmair, Violine, Andreas Ehelebe, Kontrabass, und Georg Michael Grau am Flügel. Alle drei Musiker sind Preisträger der „Bundesauswahl Konzerte junger Künstler“ und – so stellte es sich an diesem Abend heraus – exzellente Meister ihres Fachs.

Im Laufe der Jahre hat das Ensemble jede Menge Konzerterfahrungen im In- und Ausland sammeln können. Für den Namen „Trio Kontra“ entschieden sich die Musiker, da im Gegensatz zur üblichen Klavier-Trio-Besetzung, die sich aus Violine, Violoncello und Klavier zusammensetzt, der Kontrabass den Platz des Cellos einnimmt.

Es gab ein äußerst hörenswertes Programm. Die Musiker spielten Kompositionen aus vier Jahrhunderten. Mit Johann Sebastian Bachs „Sonate in c-Moll“ aus dem Bachwerkeverzeichnis 1024 begann das Konzert gleich mit vier Sätzen. Hierbei gab es einen hochexpressiven Eingangssatz mit einem weit gespannten Violinen-Solo – bereits ein Höhepunkt an diesem Abend.

Gutes Zusammenspiel
Es folgte eine moderne Komposition mit ungewöhnlichen Klängen des polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki (geboren 1933), bei der der Kontrabass auch einmal seine höchsten Töne beweisen konnte. Dieses gewaltige Werk widmete der Pole der berühmten Geigen-Virtuosin Anne Sophie Mutter. Das nachfolgende Duo concertante für Violine, Kontrabass und Klavier (hier wurde der Orchesterpart gespielt) in zwei Sätzen von Giovanni Bottesini (1821 – 1889) erinnerte an den typischen italienischen Musikstil. Hierbei wurde besonders die Fingerfertigkeit der Aktiven gefordert. Eine herausragende Leistung! Bottesini, selbst ein großartiger Virtuose am Kontrabass, war ein Freund Giuseppe Verdis und dirigierte die Oper „Aida“ bei seiner Uraufführung.

Pichlmair, Ehelebe und Grau verstanden sich untereinander. Einige Kompositionen spielten sie im Original, einige in einer hervorragenden Bearbeitung. Alle Darbietungen wurden fein säuberlich und mit viel Elan vorgetragen. Den Elan verspürte man bei einer Komposition des Argentiniers Astor Piazzolla (1921 – 1992). Der Komponist hatte sich erst sehr spät dem Tango zugewandt. Er entwickelte dabei ein intensives und zugleich widersprüchliches Verhältnis zum Tango. Gleich vier Varianten gab es zu hören, wobei sich Piazzolla an das Thema der „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi hielt (Las Cuatros Estaciones Portenas – Die vier Jahreszeiten von Buenos Aires).

Sehr melancholisch ging es bei der Totenklage „Trio élégiaque Nr. 1 in g-Moll von Sergej Rachmaninov zu. Auch dieses Stück des Komponisten, von dem man sagt, er hätte nie gelächelt, stand auf dem Programm. Es endete mit einem Trauermarsch. Als Zugabe spielte das Trio, das reichlich Applaus erhielt, einen Marsch von Fritz Kreisler.

RP-24.10.2016, Wesel
Junges Trio auf hohem Niveau und ohne Furcht

Von Hanne Buschmann

Oh, diese wunderbare Geige am Freitagabend im Bühnenhaus, ein Instrument von der Guarneri-Familie, Cremona 1735, es wurde eins mit der Musik und deren Interpretin Johanna Pichlmair. Die hellere Stimme der Violine klang im „Trio Kontra“, in dieser ungewöhnlichen Besetzung Geige, Kontrabass und Klavier, naturgemäß hervor. Aber nie egozentrisch gefärbt.
Und das war besonders gut im frischen, natürlich leuchtenden Klangbild des jungen harmonischen Ensembles, deren Mitglieder – neben der Violinistin der Kontrabassist Andreas Ehelebe und der Pianist Georg Michael Grau – sehr wohl als Künstler bezeichnet werden dürfen.
Der Deutsche Musikrat empfiehlt junge Könner, und die erfahrenen Konzertplaner des Städtischen Musikvereins und der Stadt Wesel orientieren sich daran. Der furchtlose Zugriff der jungen Menschen auf alte und neue Meisterwerke, freilich im Vertrauen auf eigenen Fleiß und durch intensives Lernen erworbene Gestaltungsfähigkeit, nahm die Hörer mit. Die waren hin und weg.
Bachs Sonate c-Moll, BWV 1024, gewann geistige Tiefe mit der behutsamen schrittweisen Annäherung an das Werk, das sich im Adagio als wundersames Lied entfaltete und sich im Presto furchtlos dem Leben stellte. Das forderte umgehend in Pendereckis Duo concertante für Violine und Kontrabass die Anerkennung des Jetzt heraus. Verfremdende härtere Bogenstriche, mitunter Klopf-Effekte, sprödere Tonfolgen, die sich jedoch immer wieder zum mutigen Aufbruch bewegten, das plötzliche Aus nach einem Allegretto scherzando riss die Hörer mit. Danach Aufatmen in der puren Schönheit von Bottesinis Duo concertante für Violine, Kontrabass und Klavier, einem virtuosen Stück mit furiosen Kadenzen des Kontrabasses. Auch die beiden anderen Instrumente erhielten ihre besonderen Auftritte: Klavier und Violine jeweils in einem Allegro maestoso, einer lachend vagabundierenden Spielmusik. Hui, wie das lief. Pause.
Von Trauer erzählten die summenden Streicher und das flüsternde Klavier in Rachmaninovs Trio élégiaque Nr. 1 in g-Moll, aufwühlend bis zum erlösenden Schluss. Danach sprang die Weltlust ungebremst auf: Piazzollas Las Cuatros Estaciones Portenas – Die vier Jahreszeiten von Buenos Aires – inspiriert von Vivaldi, sogar mit einigen Zitaten geschmückt. Die klangliche Darstellung aber unverkennbar lateinamerikanisch, der Rhythmus erinnerte an den Tango, ohne ihn direkt einzufügen. Die Jahreszeiten wurden klanglich gemalt. Kompositorische Kunst auf hohem Niveau, die interpretatorische ebenso.
Muss der Applaus, das Glück des Dabeiseins extra erwähnt werden?

NRZ-14.9.2016, Wesel
Musik-Spektakel mit Percussions und Posaunen

Professionelles Quartett aus Leipzig läutet die Konzertsaison des Städtischen Musikvereins ein

Dieter Krüssmann

Joachim Gelsdorf (Bassposaune), Wolfram Dix (Percussion und Drums) und Marton Palko (Alt- und Tenorposaune) und Maxim Kulikov (Posaune) gehörten zu den ersten Stars bei der Eröffnung der Konzertsaison 2016/17 des Städtischen Musikvereins in Zusammenarbeit mit der Stadt Wesel.

Wenn diese Profi-Musiker von „Percussion Posaune Leipzig“ (sie alle sind studierte Musiker und haben in den verschiedensten Orchestern gespielt) zusammen in einem Konzert spielen, dann ist das ein purer Musikgenuss: Nicht nur Freunde der Blasmusik kamen im Bühnenhaus auf ihre Kosten. Die musikalische Bandbreite an diesem Abend war schon ein Erlebnis der besonderen Art. Das Programm enthielt zahlreiche Titel, die jeweils vor dem Vortrag vom „sprechenden Programmheft“ (so wird Joachim Gelsdorf genannt) erklärt wurden. Das Konzert stand unter dem Titel „Von Johann Sebastian Bach bis zum Weißen Hai im Alpensee“, eigentlich ein ausgefallenes Thema.

Das Konzert begann mit der Richard-Strauss-Fanfare „Also sprach Zarathustra“, dem ein besonders schön swingendes „This could be the start of something big“ von Steve Allen folgte. Hierbei konnte man schön verfolgen, wie die Posaunen miteinander gut zusammen passten. Das Quartett verstand sein Handwerk, schließlich ist dieses Ensemble schon fast 25 Jahre zusammen und war schon auf Gastspielen in halb Europa zu Gast.

Aufmerksamkeit schenkte man sich beim Solo-Spiel des Drummers Wolfram Dix, der zunächst auf der Schlitztrommel fast zwölf Minuten lang eine „Monade“ spielte. Begeistert aufgenommen wurde dann zusätzlich noch das Solo für Bongos „Mittsommer“, bei dem sich einmal das komplette Schlagzeug vorstellte. Beide Kompositionen des Solisten kamen an. Zwei Liebeslieder aus England als Madrigal erinnerten an die Zeit des Mittelalters.

Henry Walthers moderne Fassung von „Lobet den Herren, alle die ihn ehren“ stand ebenfalls auf dem Programm. Das Publikum war äußerst überrascht. Unter ihnen auch der ehemalige Pfarrer Dr. Norbert Ittmann. Er, der selber auch ein Blasinstrument spielt, kannte natürlich das Lied aus dem Gesangbuch und meinte dazu, dass dieses Stück doch ein wenig gewöhnungsbedürftig sei, es aber dennoch sehr gut interpretiert wurde. Ohne den Schlagzeuger spielte das Trio Johann Sebastian Bachs „Prelude IX“ aus dem Wohltemperierten Klavier. Für reichlich Schwung sorgte die Habanera aus „Carmen“ von Georges Bizet.

Für den Schluss hatten sich die Musiker „Der weiße Hai im Alpensee“ aufbewahrt, einer modernen Komposition des Österreichers Christoph Wundrak (geb. 1948). Und aufgrund der hohen Temperaturen gab es dann noch als Zugabe den berühmten „Summertime-Blues“ von Georg Gershwin zu hören.

RP-14.9.2016, Wesel
Viel Applaus für Ensemble aus Leipzig im Bühnenhaus

Die Fanfare aus Richard Strauss‘ Sinfonischer Dichtung „Also sprach Zarathustra“ frei nach Friedrich Nietzsches Vorrede seines berühmten Buches, der ermutigenden Hymne an die Sonne und die Freiheit des Menschen, eröffnete das erste Konzert der diesjährigen Reihe im Bühnenhaus. Dargeboten Montagabend vom Ensemble „percussion posaune leipzig“, künstlerisch hochkultiviert.
Von Hanne Buschmann

Weiter ging’s mit dem modernen „This could be the start of something big“ von Steve Allen und zeitlos schönen Madrigalen von Holborne und Morley aus dem alten England. Dann stellte Joachim Gelsdorf, Bassposaunist und literarisch beschlagener, witziger Moderator, den überaus empfindsamen, hochmusikalischen Schlagzeuger Wolfram Dix vor. Der lange, schlanke, asketisch wirkende Mann, als einziger in einen schlichten schwarzen Anzug gekleidet statt in den vornehmen Frack, war schon vorher mit seinem dezenten Tambourin aufgefallen. Dieser Ausnahmemusiker und Komponist öffnete neue Perspektiven mit seinem Solo „Monade“ (nach Leibniz‘ Lehre vom unteilbaren Teilchen) auf einer hölzernen Schlitztrommel. Bachs Prelude IX, Wohltemperiertes Klavier, 2. Buch; Henry Walthers zeitgenössische Choralfantasie „Lobet den Herren alle, die ihn ehren“. Pausengespräche, einhellig: „Das Kinder- und Jugendkonzert der Leipziger heute Nachmittag in der Musikschulaula war einsame Klasse.“
Hier nun fragil, aber mit der Wucht der Begeisterung weiter: Einmarsch der Musiker mit Carmens hinreißender Habanera (Bizet), gefolgt von „Mr. B. & We“ von Hans-Peter Preu (modern), noch einmal Dix und sein atemlos Staunen machender „Mittsommer“ (Solo für Bongos und und einer Armee von bislang ungesehenen Instrumenten, deren Töne er mit formender Hand verwehte. „Der weiße Hai im Alpensee“, von Christoph Wundrak fürs Ensemble ersonnen, dem auch Stefan Wagner und Marton Palko (Tenor- und Altposaune) angehören. Gebührendes Schweigen, danach Applaus fürs große Ereignis.

NRZ-14.9.2016, Wesel
„Eine Reise auf dem Posaunenzug“

Das Quartett „Percussion Posaune“ erweckte in der Musik- und Kunstschule mit dem Kinderkonzert „Posaunissimo“ bei den Jüngsten Interesse an klassischer Musik
MARKUS WEISSENFELS

Joachim Gelsdorf führte in das Stück „Posaunissimo – eine musikalische Reise für Kinder auf dem Posaunenzug“ ein.

Kinder und Klassik? Auch wenn es sich im ersten Moment nicht besonders kompatibel anhört, es passt. Das dachte sich wohl der Städtische Musikverein und veranstaltete ein Musik-Event für die Kleinen. Das Kinderkonzert in der Aula der Musik- und Kunstschule gab den Startschuss zur Konzertsaison. Vier Kammerkonzerte sowie drei Orchesterkonzerte warten noch auf musikbegeisterte Ohren.
Klassik ist nicht nur was für Senioren
„Wir freuen uns, eine Kinderveranstaltung als Eröffnung zu haben“, erzählt Max Brandt. Der zweite Vorsitzende des Musikvereins wünscht sich, dass mehr Kinder Interesse an klassischer Musik entwickeln. „Wenn man sich in der Oper umschaut, sind die meisten Zuschauer doch schon über 70“, erzählt Brandt. „Kinder sind meistens offener und toleranter.

Die Kleinen lassen sich noch schneller begeistern als so mancher Erwachsener“. Dass es sich bei den Kindern durchaus um potenzielle zukünftige Besucher ihrer Konzerte handelt, ist Brandt und seinem Kollegen Klaus-Ulrich Schmidt durchaus bewusst. Über 13 Schulen und 35 Kindergärten haben die beiden Mitglieder des Musikvereins angeschrieben und zu dem Kinderkonzert eingeladen. „Wir möchten auch Jugendliche ansprechen, nicht nur Senioren“, erklärt Brandt.

Auch wenn von den rund 200 ausgestellten Karten nur 60 verkauft wurden: „Es ist ein Anfang“. Die Band „Percussion Posaune“ ließ sich etwas ganz Besonderes einfallen für die kleinen Gäste. Eine aus dem Jahr 2012 stammende neue Interpretation des berühmten Märchens „Die Bremer Stadtmusikanten“ stand zwar auf dem Programm: Da aber einer der Musiker verhindert war, wurde diese kurzerhand durch „Posaunissimo – eine musikalische Reise für Kinder auf dem Posaunenzug“ ersetzt. Auch wenn die Musik in dem Märchen letztendlich eine untergeordnete Rolle spielte, so stand sie bei „Posaunissimo“ deutlich im Vordergrund. Ohne große Worte, aber mit vielen musikalischen Elementen wurde die Geschichte zu neuem Leben erweckt.

Neben der Kammermusik stand vor allem das Instrument an sich im Vordergrund. Die Band erzählte über die Eigenarten und die Geschichte der Posaune Die Kinder lauschten aufmerksam. Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihen, als die Musiker anfingen zu spielen. Joachim Gelsdorf, der Leiter des Quartetts, führte persönlich in das Stück ein.

Wer wird der nächste große Star?
Gegen Ende durften die Kinder dann auch selbst Hand anlegen. Wie fühlt sich so eine Posaune überhaupt an? Wie klingt es, wenn man in das Instrument rein bläst? Diesen Fragen gingen die jungen Zuschauer auf den Grund. Und wer weiß? Vielleicht ist unter ihnen ja der nächste Posaunenstar.

RP-14.9.2016, Wesel
Konzert soll Kinder an Klassik heranführen

Das Quartett „Percussion Posaune“ weckte mit „Posaunissimo“ bei den Jüngsten Interesse an klassischer Musik.
Kinder und Klassik passen gut zusammen. Das dachte sich wohl der Städtische Musikverein und veranstaltete ein Musik-Event für die Kleinen. Das Kinderkonzert in der Aula der Musik- und Kunstschule gab den Startschuss zur Konzertsaison. Vier Kammerkonzerte sowie drei Orchesterkonzerte warten noch auf musikbegeisterte Ohren.

„Wir freuen uns, eine Kinderveranstaltung als Eröffnung zu haben“, erzählt Max Brandt. Der zweite Vorsitzende des Musikvereins wünscht sich, dass mehr Kinder Interesse an klassischer Musik entwickeln. „Wenn man sich in der Oper umschaut, sind die meisten Zuschauer doch schon über 70“, erzählt Brandt. „Kinder sind meistens offener und toleranter.

Über 13 Schulen und 35 Kindergärten haben die beiden Mitglieder des Musikvereins angeschrieben und zu dem Kinderkonzert eingeladen. „Wir möchten auch Jugendliche ansprechen, nicht nur Senioren“, erklärt Brandt.

Auch wenn von den rund 200 ausgestellten Karten nur 60 verkauft wurden: „Es ist ein Anfang.“ Die Band „Percussion Posaune“ ließ sich etwas Besonderes einfallen für die kleinen Gäste. Eine aus dem Jahr 2012 stammende neue Interpretation des Märchens „Die Bremer Stadtmusikanten“ stand zwar auf dem Programm: Da aber einer der Musiker verhindert war, wurde diese kurzerhand durch „Posaunissimo – eine musikalische Reise für Kinder auf dem Posaunenzug“ ersetzt. Auch wenn die Musik in dem Märchen letztendlich eine untergeordnete Rolle spielte, so stand sie bei „Posaunissimo“ deutlich im Vordergrund.

Neben der Kammermusik stand vor allem das Instrument an sich im Vordergrund. Die Band erzählte über die Eigenarten und die Geschichte der Posaune, die Kinder lauschten aufmerksam.

Gegen Ende durften die Kinder dann selbst Hand anlegen. Wie fühlt sich so eine Posaune überhaupt an? Wie klingt es, wenn man in das Instrument hineinbläst? Diesen Fragen gingen die jungen Zuschauer auf den Grund. Und wer weiß? Vielleicht ist unter ihnen ja der nächste Posaunenstar.

Musikverein mit tollem Aboprogramm

Hochrangige und abwechslungsreiche Konzerte gibt es ab September im Bühnenhaus.

Von Hanne Buschmann

Die Konzertreihe im Bühnenhaus 2016/2017, Abo und freier Verkauf, verantwortet vom Städtischen Musikverein und von der Stadt Wesel, weckt jetzt schon blanke Vorfreude. Bei der Jahreshauptversammlung des Musikvereins im Waldhotel Tannenhäuschen wurde sie unlängst vorgestellt (RP berichtete). Dem seit Jahren versierten Programmplaner und Plakatgestalter Klaus-Ulrich Schmidt gelang wiederum eine so hochrangige wie abwechslungsreiche musikalische Folge. Ihm assistierte bei der ehrenamtlichen, naturgemäß vielen Arbeit der neue stellvertretende Vorsitzende des Musikvereins, Dr. Max Brandt, mit Sachverstand und Begeisterung.

Montag, 12. September, geht’s los mit dem Ensemble „percussion posaune leipzig“. Der Name „Leipzig“ ist sowieso eine Gütemarke. Vier Profimusiker – drei Posaunisten und ein Percussionist – bieten Bearbeitungen von Renaissance (Madrigale), dem einsamen großen Bach (Wohltemperiertes Klavier) bis Wudrak, geb. 1948, (Der weiße Hai im Alpensee). Bearbeitungen – schon seit hunderten Jahren im Konzertbetrieb üblich – und moderne Kompositionen werden von den Weseler Hörern längst akzeptiert. Neu ist ein moderiertes Nachmittagskonzert für Kinder und Familien: „Die Bremer Stadtmusikanten“.

Freitag, 21. Oktober: „Trio Kontra“ – Violine, Kontrabass, Klavier – mit Werken von Bach, Penderecki, Bottesini, Rachmaninow, Piazzolla. Die drei prämiierten jungen Musiker sind vorgeschlagen von der Bundesauswahl Konzerte junger Künstler – BAKJK – ebenfalls ein Gütezeichen.

Freitag, 25. November: Duisburger Philharmoniker unter dem jungen Ausnahme-Dirigenten Aziz Shokhakimov und mit der russischen Cellistin Tatjana Vassiljeva („Russische Legenden“ – Rimsky-Korsakow, Schostakowitsch, Tschaikowsky).

Freitag, 13. Januar: Neue Philharmonie Westfalen unter Generalmusikdirektor Rasmus Baumann mit dem Solisten Reinhold Friedrich, Trompete. „Südstaaten“ heißt ihr Programm mit Gershwin, Grofè und Zimmermann. Das ist doch Klasse!

Samstag, 13. Februar: Kodály Quartett (zwei Violinen, Viola, Violoncello), das international berühmte ungarische Ensemble, das sich vornehmlich den Werken ihres Landsmanns Kodály widmet, in Wesel auch Mozart und Dvorak exzellent nahebringt.

Freitag, 3. März: Cicerone Ensemble (BAKJK). Dessen Instrumente Traversflöte, Barockcello und Cembalo verraten schon, dass es sich hier um ein Programm mit historischer Musik handelt. Dargeboten wird dieses von ausgezeichneten jungen Musikern.

Mittwoch, 17. Mai: Neue Philharmonie Westfalen mit einem großen Abschlusskonzert. Unter GMD Rasmus Baumann spielt der international gefragte Pianist Martin Stadtfeld Mozarts Klavierkonzert Nr. 26, c-Moll. Außerdem erklingt Haydns Sinfonie Nr. 92 (Oxford). Rasmus Baumann hat offenkundig die Neue Philharmonie Westfalen mit seiner überlegten Programmgestaltung und inspirierenden Dirigierkunst vorangebracht. Vorgesehen ist für Wesel auch, dass der Pianist Stadtfeld bei einem Schulbesuch mit Schülern über seine Arbeit spricht und einige Musikstücke vorstellt.

Lust bekommen, ein Abo zu bestellen? Das ist an der Theaterkasse im Centrum möglich. Das Konzertprogramm des Musikvereins ist zu lesen im gerade herausgekommenen Prospekt des Städtischen Bühnenhauses 2016/17. Die neue Broschüre des Musikvereins kommt voraussichtlich Anfang August heraus.

RP-26. Juli 2016, Wesel
Die Schnelligkeit der Zeit fast überlistet

Hanne Buschmann

Ein Fest der Klänge, eine Bejahung der Virtuosität: Die junge russische Pianistin Polina Kulikova legte in der Reihe der Klaviersommer-Konzerte einen außergewöhnlich guten Auftritt in der Aula der Musik- und Kunstschule hin. Von Hanne Buschmann
Das war ein Tag, der Sonntag in der Musikschulaula, der dritte Klaviersommertag! Die Hörer freuten sich über das außergewöhnlich gute Konzert, richtiger, sie waren schier aus dem Häuschen; die junge russische Pianistin Polina Kulikova strahlte, dass ihr Spiel so unbeschwert gelang; die Veranstalter, Städtischer Musikverein Wesel und Musik- und Kunstschule Wesel, sowie der Vertreter der organisierenden japanischen Klavierbau-Firma Kawai freuten sich über alles. Zudem überglänzte ein wunderschöner Sommertag das Ereignis.

Es durfte allerdings auch Hochkarätiges erwartet werden. Das Programm informierte über die hervorragende Ausbildung des Talents am weltberühmten Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium und zeigte ein ungewöhnlich reiches Programm. Das alles in etwas eineinhalb Stunden? Nun, es wurden fast zwei Stunden, dazwischen eine Pause. Ein Fest der Klänge, eine Bejahung der Virtuosität, weil deren Technik zur Dienerin der Kunst und des Kunstgenusses wurde.

Mendelssohns Scherzo a capriccio in fis-Moll eilte so witzig, spritzig, esprit-geladen dahin, dass der eigene Atem kaum mithalten konnte. Zum Glück gab es Momente der Verlangsamung, aus deren Tiefen das Tempo sich kraftvoll erneuerte. Schumanns Zehn Stücke aus „Bunte Blätter“, op. 99, begegneten zunächst mit ruhigem Melodienfluss, bis plötzlich die Wildheit der Jugend hervorbrach. Eine Novellete, eine balladenartige Erzählung, danach ein Präludium, also eine Vorausweisung, beendeten Schumanns Stück.

Wie sich Johannes Brahms mit seinen Variationen über ein Thema von Paganini, op. 35,1, in die musikalische Kreativität des legendären italienischen Geigenvirtuosen hineingekniet hat, übersprang geradezu, oft in der Höhe tirilierend, die Hörer vehement. Die Pianistin schien ja die Schnelligkeit der Zeit zu überlisten, so flogen ihre Finger über die Tasten, klaubten bestimmende Tonverbindungen auf, erzwangen wilde Harmonien. Die Klangfarbe änderte sich, wurde dunkler, das Tempo ein wenig verhaltener: Der norddeutsche Brahms kam bei sich selbst an. – Pause.

Und dann 12 Preludes from op. 11 des Russen Scriabin. Da atmete die Musik Weite, die Unendlichkeit Nordasiens oder der Ozeane. Kostbare Hör-Erfahrungen. Die wurden rhythmisch vertieft in Strawinskys Drei Sätzen aus dem Ballett „Petruschka“. Darin die Urkraft eines bäuerlichen russischen Tanzes, quasi hölzern verfremdet, weil die Holzpuppe „Petruschka“ einem traurigen Clown ähnelt. In Petruschkas Stube zersplitterte dessen Hoffnung auf Liebe, auf dem Fastnachtsjahrmarkt schlenkerte die Holzpuppe durch das überbordende Gewühl der bunten Menge. Leonid Desjatnikow, geboren 1955, notierte „Nachklänge aus dem Theater“ von der Ouvertüre über das Amüsement des Vaudeville, der Munterkeit des Rundtanzes, der leisen Glöckchenmelodie.

RP-28. Juni 2016, Wesel
Beseelte Klang-Erzählungen geben Klaviersommer Farbe und Gewicht

Hanne Buschmann

Das Programm des zweiten diesjährigen Klaviersommer-Konzerts am Sonntag zeigte es schon: Nicht von der möglichen Virtuosität wurde es beherrscht; die ersten Takte auf dem Klavier bestätigten es bereits. Der junge polnische Pianist Adam Gozdziewski spielte beseelt aus innerer Ausdruckskraft. Von Hanne Buschmann

Mit bemerkenswerter Reife näherte er sich Mozarts Rondo in a-Moll, KV 511, einem Werk, das 1787, vier Jahre vor dem Tod des Komponisten 1791 entstand und deutlich von der Tragik im menschlichen Leben bestimmt ist. Die Hörer in der Musikschul-Aula folgten gebannt dieser Klang-Erzählung, die mit zarten Tönen das Staunen schildert über die Welt, deren strahlende Schönheit von der Gegenwart des Todes überschattet wird, damit sie überhaupt fassbar werde. Gut, dass gerade auch an jenem heiteren Sonnentag an das zwiefache Gesicht der Existenz erinnert wurde, gut, dass es in Mozarts bejahender Zusammenfassung entfaltet wurde.

Auch in Chopins Klaviersonate Nr. 2 b-Moll, op. 35, legte der Pianist ähnliche Strukturen frei. Das erregende Grave gewann immer mehr Farbe, hielt auch mal besinnlich inne. Im Scherzo wechselten scharfe Kontraste, bis diese sich im schweren Schritt-Rhythmus eines Trauermarsches auflösten. In dessen Melancholie erinnerte hin und wieder leiser Gesang an helles Leben. Dieses strömte dann im Finale kraft- und trostreich weiter, mit flinken, aber behutsam regierenden Fingern zum Klingen gebracht.

Ein Trauermarsch auch in Beethovens Klaviersonate Nr. 12 in As-Dur, op. 26 – die alles bestimmende Schlüssel-Erfahrung im menschlichen Dasein. Im dritten Satz der Sonate, die formal der Viersätzigkeit gehorcht, aber in der Logik des Erlebens schildert. Im Andante con Variazioni schon die raum- und welterfassende Bewegung des Geistes in purem, aber nicht leicht hingeworfenem Wohlklang, forschend und sinnend. Im Scherzo bricht Fröhlichkeit auf, durch wissenden Geist gezügelt. Unentrinnbar die Gegenwart des Todes, dessen Gleichzeitigkeit dargestellt ist in zeitlicher Folge: im dritten Satz „Marcia Funèbre“. Auch hier der schwere Schritt. Dem folgt im Allegro neue Bewegung, die sich zum Glück im Hier und Jetzt bekennt – zur Zusammenschau des Ganzen wie es alte Mythen lehren.

Ein prächtiges Klangbild stellte Chopins op. 22 mit der rauschenden Grande Polonaise brillante nach dem einladenden Andante dar. Ein fast betörendes Fest und eine überzeugende Zusammenbindung in glänzenden melodischen Läufen. Diesen galt ein Bravo-Ruf, der lange Applaus dem denkenden jungen Pianisten. Natürlich Zugabe.
Ganz großer Applaus nach dem Konzert

RP-24. Mai 2016, Wesel
Anspruchsvoller Klaviersommer startet
Der nur 22 Jahre alte Jaehan Lim spielte Prokofiev, Bach und Schumann – ausdrucksstark und mystisch

„Das Wetter sieht zwar wenig sommerlich aus“, meinte Dagmar Beinke-Bornemann, Leiterin der Musik- und Kunstschule, in ihrer Begrüßung zum nur spärlich erschienenen Publikum. „Aber zum Glück sind wir ja dafür nicht zuständig, sondern für die Musik. Und die wird sicher schöner.“ Am Sonntag startete der 18. Weseler Klaviersommer in die Saison.
Am Flügel arbeitete sich der Koreaner Jaehan Lim durch ein überaus anspruchsvolles Programm. Der 22 Jahre alte Künstler interpretierte die Sonate Nr. 4, op. 29 von Sergej Prokofiev (1891 – 1963) ausdrucksstark, ja fast mystisch. Sein Blick ging während des Spiels oft hoch, in den Raum, ins Leere. Lim blickte immer wieder über den weit geöffneten Konzertflügel, der sein Tastenspiel im schwarzen Klavierlack spiegelte. Zeitgleich ließ er schwierigste Tonfolgen präzise und simultan mit viel Dynamik und Emotion erklingen.
Der allumfassende, präzise Klang hat es Jaehan Lim wohl angetan. Wie man erfuhr, reiste der Künstler mit nur vier Dingen im Gepäck an: einer Flasche Wasser, einer Schachtel Zigaretten, einem Stimmstock und einem Twix – sonst nichts. Der Pianist habe nämlich eine Marotte, erklärte die Musikschulleiterin den anwesenden Zuhörern und Zuschauern augenzwinkernd. Jaehan Lim stimmt das Konzertinstrument nach dem Einspielen immer persönlich und hat dafür sogar extra eine Ausbildung zum Klavierstimmer absolviert. Klingt im ersten Augenblick vielleicht ein klein wenig skurril, drückt aber – bei nochmaligem Nachdenken – auch einfach nur ein äußerst inniges Verhältnis zum Instrument aus.
Schon seit vielen Jahren ist die Kooperation zwischen dem Städtischen Musikverein, der Kunst- und Musikschule und der Klavierfirma Kawai, die die Pianisten besorgt, gute Tradition. Neben Prokofiev standen zum Auftakt Johann Sebastian Bachs (1685 – 1750) Das wohltemperierte Klavier Teil 2, Nr. 5 sowie zwei Stücke von Robert Schumann (1810 – 1856) Arabeske (op. 18) und Symphonische Etüden (op. 13) auf dem Programm. Dank des Spiels von Jaehan Lim war der Auftakt des Klaviersommers gelungen und voller spannender Momente.
Die weiteren Klavierabende finden statt am 26. Juni, 24. Juli und 28. August. Die Konzerte beginnen um 18 Uhr in der Aula der Musik- und Kunstschule, An der Zitadelle 13. Eintritt: Erwachsene zehn Euro, Jugendliche/Schüler fünf Euro; Schüler der Musik- und Kunstschule haben freien Eintritt.